Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos wenig von Erde trägt, das Hass in Minute erbarmungslos Jahre der Liebe schlägt. Ich klage nicht, daß mehr an Glück der Einsame hat denn ich – doch daß Du sorgst um mein Geschick- um diesen Wanderer – mich!
Edgar Allan Poe
Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter
aus: „Ausgewählte Gedichte“ von Edgar Allan Poe. Übertragung aus dem englischen ins deutsche von Hedwig Lachmann (1865 – 1918). Verlag: Bibliographisches Bureau, Berlin, 1891. Seite 54
Jumneta
Jahrhundkalte Kunde Ward uns aus Saga's Munde: Der stolzen Stadt der Wenden, Jumneta's Mauern ständen Im tiefen Ostseegrund.
Kühn waren die Bewohner und nie des Rechtes Schoner, Aus freier Meeresweite Heimwärts mit reicher Beute Ihr starker Drache schwamm.
Einst jäh ergriff die Mauern Ein Wanken und Erschauern, Die See mit gier'gen Lippen Verschlang mitsamt den Klippen Die Stadt und all ihr Volk.
Es bleichen die Gebeine Im grünen Zwielichtscheine, Belpenstich das Gemäuer Lugt durch den Wogenschleier; Der Schiffer sich bekreutz.
Und Fische überschnellen, Aus Fugen ausgewaschen, Drängt sich in dichten Maschen Das Seegras ums Gestein.
Luise Deusch
Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin
aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart
Vorsätze
Ich will den Gänsekiel in die Schwarze Flut tauchen. Ich will einen Roman schreiben. Schöne, wahre Menschen sollen auf den Höhen des Lebens wandeln, auf ihrem offenen Anlitz soll sich die Freiheit widerspiegeln ...
Nein. Ich will ein lyrisches Gedicht schreiben. Meine Seele werde ich auf sammetgrünem Flanell betten, und meine Sorgen werden kreischend von dannen ziehen ...
Nein. Ich will eine Ballade schreiben. Der Held soll auf blumiger Aul mit den Riesen kämpfen, und wenn die Strahlen des Mondes auf seine schöne Prinzessin fallen, dann ...
Ich will den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen. Ich werde meinem Onkel scheiben, daß ich Geld brauche.
anonym
Kurt Tucholsky
Kurt Tucholsky (1890 – 1935) deutscher Schriftstellerin, Journalist, Lyriker, Kabarettautor, Satiriker, Romanautor. Jurist, Liedtexter, Literatur-, Film-, Musikkritiker. Texter für Bühnenstücke
Es war Kurt Tucholsky einer seiner ersten journalistischen Arbeiten.
‚Vorsätze‘ wurde am 22. November 1907 in der deutschen Satire-Zeitschrift ‚Ulk‘, ein Beiblatt des kostenlosen ‚Berliner Tageblatt‘.
Des Domes Pfeilergänge
Durchrauch das Flutgedränge,
Die Glocke kommt ins Schwingen
Ins Summen und ins Klingen,
Zum Schiffer tönt's hinauf.
In blauen Mondennächten
Entringt den Wogenmächten
Jumnenta sich, die Zinnen
Erschimmern, silbern rinnen
Die Tropgen dran herab.
Wie eine Wundermäre
Jumneta steht, die hehre,
Um ihre weißen Hallen
Die Wasser singend wallen
Und schwebt der Glockenton.
Bis es mit Tagesleuchten
Rücksinkt in Meersfeuchten;
Nachhallen noch die Glocken,
O Fischer, flieh ihr Locken,
Sonst wird dir's angetan.
Weiß nicht, ob du's begehrtest,
Daß du mit wiederkehrtest, -
Gewiegt vom Wellenrollen
Wirst gerne schlafen wollen
Bei solchem Schlummersang.
Luise Deusch
Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin
aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart
Sternschnuppen
Es war an einem Abend, einem stillen,
Und aufzugehn begann die Himmelsaat.
Eh ich in meiner Liebsten Pförtlein trat,
Hob ich die Hände, wie um sie zu füllen -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?
Kein einzig Korn fiel golden zu mir nieder;
Die Himmelsähren bleiben droben stehn,
Indes wir Armen unten hungernd gehn,
Und Wolken breiten dunkeles Gefieder -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?
Luise Deusch
Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin
aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart
Komm, ich atme Seelendüfte
Komm, ich atme Seelendüfte,
die sich jener Wang' entschwangen,
Und dem Herzen ward ein Zeichen
eingedrückt von jenen Wangen.
Ist die Deutung auch geblieben
von der Huris heil'gem Prangen!
Kommentare sind geschrieben,
lest sie ab von jenen Wangen!
Zedern wurden krumm wie Weiden,
als wir jenen Wuchs besangen,
Du errötetest bescheiden,
Rosenbeet, vor jenen Wangen.
Von der Weiße deiner Glieder
sind Jasmine schambefangen,
Und in Blut getaucht der Flieder
durch den Purpur jener Wangen.
Düfte hat die Moschusblase
nur aus jenem Haar empfangen.
Rosenwasser prunkt im Glase
mit Geruch von jenen Wangen.
Weil sie dich geliebt, den Stolzen,
ist die Sonn' in Schweiß zergangen,
Und der Neumond ist geschmolzen
in der Höh' vor jenen Wangen.
Muhammad Schams ad-din
Muhammad Schams ad-din (Hafiz) (1315 / 1325 – 1390). persischer Dichter und Mystiker.
Gedicht übersetzt von August Graf von Platen-Hallermünde
Eifersucht
Alle Steine möcht' ich fragen, ob du hier vorbeigegangen, all die hundert Fensteraugen, ob sie nicht an dir gehangen?
Viele Sonnenstäubchen fliegen, deinen Locken wohl entfallen, deiner lieben Stimme denkend wähn` ich ferne Glocken hallen.
Bei den Birken auf der Höhe, an der schlanksten will ich lehnen, eine täuschende Sekunde mich an deinem Herzen wähnen.
Als ein Waldbach wollt ich eilen, daß du oft an mir dich labest- und ich all die Küsse zählte, die du einer andern gabest"
Risse dich in wildem Zürnen aus den ungetreuen Träumen, um vereint mit dir im Sturze zu zerschellen, zu zerschäumern.
Luise Deusch
Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin
aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart
Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.
Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir, und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!
Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart
für mich so tief im Haar verwahrt...
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.
Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
... ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!
Paul Zech
Paul Zech
Paul Zech deutscher Schriftsteller, Dichter, Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Übersetzer.
aus: „Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon“. Verlag Erich Lichtenstein, Weimar, 1931.
Das Gedicht ‚Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny‘ auf den Seiten 78 – 79)
Citronenfalter im April
Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!
Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muß ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.
Eduard Mörike
Eduard Friedrich Mörike (1804 – 1875) deutscher Lyriker, Autor von Prosatexten, Pfarrer
aus: ‚Gedichte‘ 1867. Eduard Mörike. Verlag der JG Cotta’schen Buchhandlung. Seite 377