Rechts und links

Rechts sind Bäume, links sind Bäume

Rechts und links

Rechts sind Bäume, links sind Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.
In der Mitte fließt ein Bach!
Ach!

Rechts hat man die Industriellen,
welche eine Presse wellen,
eine, die den Abonnenten
nationale fette Enten
täglich aufzubinden hat.
Und so fällt denn Blatt auf Blatt
in die Hände von Kartellen
unsrer Großindustriellen.
Und man schiebt sich dies und jenes,
weils bequem is und gemeen is.

Und die Aktie kommandiert –
die Verwaltung salutiert.
Helfferich ruft Weh und Ach …
In der Mitte fließt ein Bach.

Links hat man die neuen Helden,
die sich schon seit 18 melden,
wenns was zu vermitteln gibt.
(Dies Geschäft ist so beliebt.)
Barmat, Parvus, Sklarz Gebrüder –
Ei, man ist so brav und büder.
Die Regierung ist schockiert
und wird mächtig angeschmiert.
Manches Silber ist vernickelt,
mancher Handel ist verwickelt.
Reine Finger hab, wer kann!
Schlimmstenfalls zieh Handschuh an!

Rechts sind Schieber, links sind Schieber.
Jedes Antlitz ein Kassiber.
In der weiland großen Zeit
schob man Seins im grauen Kleid.
Sieh die Rechten, sieh die Linken –
und es will mich schier bedünken,

Rechts sind Bäume, links sind Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.
In der Mitte fließt ein Bach –
Ach!

Theobald Tiger

Kurt Tucholsky (1890 – 1935) deutscher Schriftstellerin, Journalist, Lyriker, Kabarettautor, Satiriker, Romanautor. Jurist, Liedtexter, Literatur-, Film-, Musikkritiker. Texter für Bühnenstücke

aus: ‚Ulk‘, 27.02.1920, Nr. 9, Seite 34

Kurt Tucholsky wurde in Berlin geboren ist dort aufgewachsen. In diesem Gedicht benutzt er einige ‚berliner jargons (Slang, Sprache)

An …

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos

An …

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos
wenig von Erde trägt,
das Hass in Minute erbarmungslos
Jahre der Liebe schlägt.
Ich klage nicht, daß mehr an Glück
der Einsame hat denn ich –
doch daß Du sorgst um mein Geschick-
um diesen Wanderer – mich!

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

aus: „Ausgewählte Gedichte“ von Edgar Allan Poe. Übertragung aus dem englischen ins deutsche von Hedwig Lachmann (1865 – 1918). Verlag: Bibliographisches Bureau, Berlin, 1891. Seite 54

Jumneta

kühn waren die Bewohner

Jumneta

Jahrhundkalte Kunde Ward uns aus Saga's Munde: Der stolzen Stadt der Wenden, Jumneta's Mauern ständen Im tiefen Ostseegrund.

Kühn waren die Bewohner und nie des Rechtes Schoner, Aus freier Meeresweite Heimwärts mit reicher Beute Ihr starker Drache schwamm.

Einst jäh ergriff die Mauern Ein Wanken und Erschauern, Die See mit gier'gen Lippen Verschlang mitsamt den Klippen Die Stadt und all ihr Volk.

Es bleichen die Gebeine Im grünen Zwielichtscheine, Belpenstich das Gemäuer Lugt durch den Wogenschleier; Der Schiffer sich bekreutz.

Und Fische überschnellen, Aus Fugen ausgewaschen, Drängt sich in dichten Maschen Das Seegras ums Gestein.

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart

‚Chronik der Slaven‘ Helmold, Lappenberg, Wattenbach u.a. 1910 Dyk’sche Buchhandlung, Leipzig

In dieser Chronik wird erwähnt vom Untergang von Jumneta (Vineta), ab Seite 6

Der Sage nach soll es sich beim dem Gedicht um Vineta handeln.

kurze Biografie

Vorsätze

den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen

Vorsätze

Ich will den Gänsekiel in die Schwarze Flut tauchen. Ich will einen Roman schreiben. Schöne, wahre Menschen sollen auf den Höhen des Lebens wandeln, auf ihrem offenen Anlitz soll sich die Freiheit widerspiegeln ...

Nein. Ich will ein lyrisches Gedicht schreiben. Meine Seele werde ich auf sammetgrünem Flanell betten, und meine Sorgen werden kreischend von dannen ziehen ...

Nein. Ich will eine Ballade schreiben. Der Held soll auf blumiger Aul mit den Riesen kämpfen, und wenn die Strahlen des Mondes auf seine schöne Prinzessin fallen, dann ...

Ich will den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen. Ich werde meinem Onkel scheiben, daß ich Geld brauche.

anonym

Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky (1890 – 1935) deutscher Schriftstellerin, Journalist, Lyriker, Kabarettautor, Satiriker, Romanautor. Jurist, Liedtexter, Literatur-, Film-, Musikkritiker. Texter für Bühnenstücke

Es war Kurt Tucholsky einer seiner ersten journalistischen Arbeiten.

‚Vorsätze‘ wurde am 22. November 1907 in der deutschen Satire-Zeitschrift ‚Ulk‘, ein Beiblatt des kostenlosen ‚Berliner Tageblatt‘.

Des Domes Pfeilergänge

Nachhallen noch die Glocken

Des Domes Pfeilergänge

Durchrauch das Flutgedränge,
Die Glocke kommt ins Schwingen
Ins Summen und ins Klingen,
Zum Schiffer tönt's hinauf.

In blauen Mondennächten
Entringt den Wogenmächten
Jumnenta sich, die Zinnen
Erschimmern, silbern rinnen
Die Tropgen dran herab.

Wie eine Wundermäre
Jumneta steht, die hehre,
Um ihre weißen Hallen
Die Wasser singend wallen
Und schwebt der Glockenton.

Bis es mit Tagesleuchten
Rücksinkt in Meersfeuchten;
Nachhallen noch die Glocken,
O Fischer, flieh ihr Locken,
Sonst wird dir's angetan.

Weiß nicht, ob du's begehrtest,
Daß du mit wiederkehrtest, -
Gewiegt vom Wellenrollen
Wirst gerne schlafen wollen
Bei solchem Schlummersang.

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart

‚Chronik der Slaven‘ Helmold, Lappenberg, Wattenbach u.a. 1910 Dyk’sche Buchhandlung, Leipzig

In dieser Chronik wird erwähnt vom Untergang von Jumneta (Vineta), ab Seite 6

Der Sage nach soll es sich beim dem Gedicht um Vineta handeln.

kurze Biografie

Sternschnuppen

Die Himmelsähren bleiben droben stehn

Sternschnuppen

Es war an einem Abend, einem stillen,
Und aufzugehn begann die Himmelsaat.
Eh ich in meiner Liebsten Pförtlein trat,
Hob ich die Hände, wie um sie zu füllen -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?

Kein einzig Korn fiel golden zu mir nieder;
Die Himmelsähren bleiben droben stehn,
Indes wir Armen unten hungernd gehn,
Und Wolken breiten dunkeles Gefieder -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

kurze Biografie

Komm, ich atme Seelendüfte

Rosenbeet, vor jenen Wangen

Komm, ich atme Seelendüfte

Komm, ich atme Seelendüfte,
die sich jener Wang' entschwangen,
Und dem Herzen ward ein Zeichen
eingedrückt von jenen Wangen.

Ist die Deutung auch geblieben
von der Huris heil'gem Prangen!
Kommentare sind geschrieben,
lest sie ab von jenen Wangen!

Zedern wurden krumm wie Weiden,
als wir jenen Wuchs besangen,
Du errötetest bescheiden,
Rosenbeet, vor jenen Wangen.

Von der Weiße deiner Glieder
sind Jasmine schambefangen,
Und in Blut getaucht der Flieder
durch den Purpur jener Wangen.

Düfte hat die Moschusblase
nur aus jenem Haar empfangen.
Rosenwasser prunkt im Glase
mit Geruch von jenen Wangen.

Weil sie dich geliebt, den Stolzen,
ist die Sonn' in Schweiß zergangen,
Und der Neumond ist geschmolzen
in der Höh' vor jenen Wangen.

Muhammad Schams ad-din

Muhammad Schams ad-din (Hafiz) (1315 / 1325 – 1390). persischer Dichter und Mystiker.

Gedicht übersetzt von August Graf von Platen-Hallermünde

Eifersucht

Viele Sonnenstäubchen fliegen

Eifersucht

Alle Steine möcht' ich fragen, ob du hier vorbeigegangen, all die hundert Fensteraugen, ob sie nicht an dir gehangen?

Viele Sonnenstäubchen fliegen, deinen Locken wohl entfallen, deiner lieben Stimme denkend wähn` ich ferne Glocken hallen.

Bei den Birken auf der Höhe, an der schlanksten will ich lehnen, eine täuschende Sekunde mich an deinem Herzen wähnen.

Als ein Waldbach wollt ich eilen, daß du oft an mir dich labest- und ich all die Küsse zählte, die du einer andern gabest"

Risse dich in wildem Zürnen aus den ungetreuen Träumen, um vereint mit dir im Sturze zu zerschellen, zu zerschäumern.

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

kurze Biografie

Ich bin so wild auf deinem wilden Erdbeermund

im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar

Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny


Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir, und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart
für mich so tief im Haar verwahrt...
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
... ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Paul Zech

Paul Zech

Paul Zech deutscher Schriftsteller, Dichter, Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Übersetzer.

aus: „Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon“. Verlag Erich Lichtenstein, Weimar, 1931.

Das Gedicht ‚Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny‘ auf den Seiten 78 – 79)

François Villon ( 1431 – 1474)

Zitronenfalter im April

Ein Tröpfchen Honig

Citronenfalter im April

Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!
Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muß ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.

Eduard Mörike

Eduard Friedrich Mörike (1804 – 1875) deutscher Lyriker, Autor von Prosatexten, Pfarrer

aus: ‚Gedichte‘ 1867. Eduard Mörike. Verlag der JG Cotta’schen Buchhandlung. Seite 377