Das ist alles

Ich weiß von vielen Dingen

Das ist alles

Das Menschlein spricht: Ich weiß von vielen Dingen.
Doch ach! Schon enfalteten ihre Schwingen,
Künste und Wissenschaften
Und tausend Machenschaften!
Der Wind weht -
Das ist alles, was der Mensch vesteht.

Henry David Thoreau

Henry David Thoreau (1817 – 1862), US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge

Bildnis: Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Henry David Thoreau (1817 – 1862)

der Teich

Der Teich

Da liegst Du still vor dem erstaunten Blick!
Kein Gang vermag Dich nach Gebühr zu preisen,
Vertrauter sind mir Gott und Himmel nicht
Als Du, vielteurer See!
Ich bin dein stein'ges Ufer und der Wind,
Der Deine Fluten sanft bewegt.
In meiner hohlen Hand
Halt ich Dein Wasser, Deinen Sand,
Und Deine Tiefe lehrt mich
Nach dem Höchsten streben.

Henry David Thoreau 

Henry David Thoreau (1817 – 1862), US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge

Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Bildnis: Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Luxus

Es ist herrlich zu überdenken, wie unabhängig der Mensch von allem entnervenden Luxus bleibt, und je weniger er davon hat, um so reicher ist er.

Henry David Thoreau

Henry David Thoreau (1817 – 1862), US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge

aus: ‚Herbst – Aus dem Tagebuch von Henry David Thorau‘, übersetzt vom Amerikanischen ins Deutsche von Bertha Engler . Herausgeber: H. G. O. Blake. Verlag Büchergilde Gutenberg, Zürch, 1945 (Original: The Journal of Henry Thoreau 1837 – 1846)

Bildnis: Henry David Thoreau (1817 – 1862)

die Natur

Der Mensch vergiftet

Der Mensch vergiftet ihre (die Natur) erfrischenden Luftströme und ist ein Fluch für das Land, das ihn gebar.

Henry David Thoreau

Henry David Thoreau (1817 – 1862)Henry David Thoreau (1817 – 1862), US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge

aus: ‚Die Tagebücher von Henry David Thorau‘, übersetzt vom Amerikanischen ins Deutsche von Bertha Engler . Herausgeber: H. G. O. Blake. Verlag Büchergilde Gutenberg, Zürch, 1945 (Original: The Journal of Henry Thoreau 1837 – 1846)

Bildnis: Henry David Thoreau (1817 – 1862)

Die Liebe

Sie kennt nicht Tür noch Riegel

Die Liebe

Die Liebe kommet nichts;
Sie kennt nicht Tür noch Riegel
Und dringt durch alles sich;

Sie ist ohne Angebinn, Schlug ewig ihre Flügel
Und schlägt sie ewiglich.

Matthias Claudius

Zwei

Schwarzer Schwan, und seltsam schwanken

Zwei

Drüben du, mir deine weiße
Rose übers Wasser zeigend,
Hüben ich, dir meine dunkle
Sehnsüchtig entgegen neigend.

In dem breiten Strome, der uns
Scheidet, zittern unsre blassen
Schatten, die vergebens suchen,
Sich zu finden, sich zu fassen.

Und so stehn wir, unser Stammeln
Stirbt im Wind, im Wellenrauschen,
Und wir können nichts als unsre
Stummen Sehnsuchtswinke tauschen.

Leis, gespenstig, zwischen unsern
Dunklen Ufern schwimmt ein wilder
Schwarzer Schwan, und seltsam schwanken
Unsre blassen Spiegelbilder.

Gustav Falke

Gedicht von Gustav Falke (1853 – 1916), deutscher Lyriker und Kinderbuchautor

Ungewitter

Ungewitter

Auf hohen Burgeszinnen
Der alte König stand,
Und überschaute düster
Das düster umwölkte Land.

Es zog das Ungewitter
Mit Sturmesgewalt herauf,
Er stützte seine Rechte
Auf seines Schwerdtes Knauf.

Die Linke, der entsunken
Das goldene Zepter schon,
Hielt noch auf der finstern Stirne
Die schwere goldene Kron‘.

Da zog ihn seine Buhle
Leis‘ an des Mantels Saum:
Du hast mich einst geliebet,
Du liebst mich wohl noch kaum?

Was Lieb‘ und Lust und Minne?
Laß ab, du süße Gestalt!
Das Ungewitter ziehet
Herauf mit Sturmesgewalt.

Ich bin auf Burgeszinnen
Nicht König mit Schwerdt und Kron‘,
Ich bin der empörten Zeiten
Unmächtiger, bangender Sohn.

Was Lieb‘ und Lust und Minne?
Laß ab, du süße Gestalt!
Das Ungewitter ziehet
Herauf mit Sturmesgewalt.

Adelbert von Chamisso

Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1830), deutscher Dichter und Naturforscher

Der stummen Lieder

Die Rose, die ich für dich bewahrt

Der stummen Lieder

Es war ein zeitiger Frühlingstag
und die Erde ganz ohne Laut
und die Stille, die über den
Dingen lag,
wie ein Spinnwebgehäuse gebaut.
Aber droben die stolze Sonne
durchschifft
gleich dem singenden Schwan
das All,
und der Mond auf schwankender
Wolkendrift
sucht gestirnten Widerhall.

Wir saßen am selben Tisch und Ort
Auf der Träumenden heimlicher
Feier.
Für das, was ich fühlte, fand ich
kein Wort;
Unberührt lag dein atmender
Schleier.
Die Rose, die ich für dich bewahrt
Blieb als Knospe in meiner Hand –
Dein warmes Fühlen, so scheu
und zart,
Meiner Stummheit Antwort
nicht fand.

Begegnung und Trennung,
verschlossenes Gesicht,
Wiedersehn, bis der Reigen
zerronnen,
Und Abschied für immer,
noch fasste ich nicht
Das Unvergängliche, das ich
gewonnen.
es war ein knospender Frühlingstag
Und das Lied och ganz ohne Laut
Und das Leben, das hinter den
Dingen lag,
Wie ein Spinnwebgehäuse gebaut.

Erik Axel Karlfeldt

Erik Axel Karlfeldt (1864 – 1931), schwedischer Lyriker, Nobelpreisträger

Wie ein Traum

Ich wandre mit der Freundin meiner Träume

Wie ein Traum

Mittsommernacht, da alle Lippen scherzen,
da alle Lungen keuchen,
alle Herzen flattern beim Tanz im wildern Flammenring –
wie eine Wachtel einsam flieht zu Halm und Klee,
mit einem Herzen, von Erinnerung weh,
wandre ich Wege, die mit dir ich ging.

Ich seh‘ dich kommen wie ein Traum.
Im Haar trägst du noch feucht ein Hagebuttenpaar
und frühe Jugend strahlt aus deinem Sinn.
Du bist wie einst mein lieber Kamerad,
das Kind, die Frau auf meinem Lebenspfad,
und ich bin dein mit allem, was ich bin.

Jetzt gehst du neben mir, mein Herze bebt,
stumm seh‘ ich, wie die Abenddämmerung schwebt
um deine Stirne, glorienhaft gesponnen.
Nicht nur in weichen, schwachen Dichterstunden
hab‘ ich dies Heiligenwunderbild gefunden
und dann geglaubt, es sei mir schon entronnen.

Es weht durch den Johannisschlaf der Bäume –
Ich wandre mit der Freundin meiner Träume
und Wort auf Wort hat über uns Gewalt.
Nicht Küsse noch Umarmung uns entflammen,
nur Seel‘ an Seele füget sich zusammen
in dieser Sehnsuchtsbrautnacht tief im Wald.

Erik Axel Karlfeldt

Erik Axel Karlfeldt (1864 – 1931), schwedischer Lyriker, Nobelpreisträger

Rechts und links

Rechts sind Bäume, links sind Bäume

Rechts und links

Rechts sind Bäume, links sind Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.
In der Mitte fließt ein Bach!
Ach!

Rechts hat man die Industriellen,
welche eine Presse wellen,
eine, die den Abonnenten
nationale fette Enten
täglich aufzubinden hat.
Und so fällt denn Blatt auf Blatt
in die Hände von Kartellen
unsrer Großindustriellen.
Und man schiebt sich dies und jenes,
weils bequem is und gemeen is.

Und die Aktie kommandiert –
die Verwaltung salutiert.
Helfferich ruft Weh und Ach …
In der Mitte fließt ein Bach.

Links hat man die neuen Helden,
die sich schon seit 18 melden,
wenns was zu vermitteln gibt.
(Dies Geschäft ist so beliebt.)
Barmat, Parvus, Sklarz Gebrüder –
Ei, man ist so brav und büder.
Die Regierung ist schockiert
und wird mächtig angeschmiert.
Manches Silber ist vernickelt,
mancher Handel ist verwickelt.
Reine Finger hab, wer kann!
Schlimmstenfalls zieh Handschuh an!

Rechts sind Schieber, links sind Schieber.
Jedes Antlitz ein Kassiber.
In der weiland großen Zeit
schob man Seins im grauen Kleid.
Sieh die Rechten, sieh die Linken –
und es will mich schier bedünken,

Rechts sind Bäume, links sind Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.
In der Mitte fließt ein Bach –
Ach!

Theobald Tiger

Kurt Tucholsky (1890 – 1935) deutscher Schriftstellerin, Journalist, Lyriker, Kabarettautor, Satiriker, Romanautor. Jurist, Liedtexter, Literatur-, Film-, Musikkritiker. Texter für Bühnenstücke

aus: ‚Ulk‘, 27.02.1920, Nr. 9, Seite 34

Kurt Tucholsky wurde in Berlin geboren ist dort aufgewachsen. In diesem Gedicht benutzt er einige ‚berliner jargons (Slang, Sprache)