Die Veilchen
So wie ihr blüht, ihr treuen Veilchen,
Süß duftend, still, ein kurzes Weilchen,
War das, was mir sein Lieben gab;
Bald ward von einer Anderen Küssen
Der Ungetreue mir entrissen;
Bald blühet, Veilchen, um mein Grab!
Sophie Albrecht
Johanna Sophie Dorothea Albrecht (1757 – 1840), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Schauspielerin
aus: „Gecichte und Schauspiel – Theil 1“ von Sophie Albrecht. Verlag: Albrecht, Erfurt, 1781. Seite: 17
Auff die Italiänische Weise: O fronte serena
O liebliche Wangen,
Ihr macht mir Verlangen,
diß Rote, diß Weiße
zu schauen mit Fleiße.
Und diß nur alleine
ists nicht, das ich meine:
Zu schauen, zu grüßen,
zu rühren, zu küssen,
Ihr macht mir Verlangen,
O liebliche Wangen.
O Sonne der Wonne!
O Wonne der Sonne!
O Augen, sie saugen
das Licht meiner Augen.
O englische Sinnen,
O himmlisch Beginnen,
O Himmel auf Erden
magst du mir nicht werden.
O Wonne der Sonne,
O Sonne der Wonne.
O Schönste der Schönen,
benimm mir diß sehnen.
Komm, eile, komm, komme,
du Süße, du Fromme.
Ach, Schwester, ich sterbe,
Ich sterb', ich verderbe.
Komm, komme, komm, eile,
komm, tröste, komm, heile.
Benimm mir diß sehnen,
O Schönste der Schönen!
Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
„Paul Flemings Teütsche Poemata“von Paul Flemming. Verlag: Lübeck, Laurenz Jauch. 1 Auflag, 1642. Seite 492 – 493
auch in: „Deutsche Gedichte“. Herausgegeben von J. M. Lappenberg, Stuttart. Band I. und Band II. Gedruckt auf Kosten des Litterarischen Vereins 1865
An den Spiegel
O Du drei- viermal mehr glückseliger als ich!
Der du der Liebsten Glanz in deinem Auge trägest,
und selbst zu lieben sich das schöne Kind bewegest,
daher sie nur wird stolz, sieht weit hin über mich,
Gibt ihre Gunst ihr selbst, und achtet mehr auf dich,
Indem du bist bemüht, und höchsten Fleiß anlegest,
daß du dich, wie sie sich, an allen Gliedern regest,
durch dich schaut sie sich an, und redet selbst mit sich.
Du rechtes Freudenwerk von früh an bis zu Nachte,
wie mach' ich’s, daß ich sie doch einmal so betrachte,
als wie du allzeit tust? So mein' ich kann es geh’n,
Versuch es einen Tag, und gönne mir dein Glücke.
Und daß ich wieder gleich in ihre Blicke blicke,
So laß dies Auge hier an deine Stelle steh’n.
Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
aus: „Deutsche Gedichte“. Herausgegeben von J. M. Lappenberg, Stuttart. Gedruckt auf Kosten des Litterarischen Vereins 1865
Abschied
Was säumest du, o Seele, zu zerspringen,
Vor Angst, vor Qual, die dich und mich umringen
Und bist noch du, mein Herze, nicht entzwei,
Tu's doch, tu's bald, und mach' uns beide frei!
O dass ich doch den Tag erleben müssen.
Der mir verbeut, das schöne Kind zu küssen!
Der mir versagt, das liebe Bild zu sehn.
Ach mir! was mehr? es ist um mich geschehn!
Anstatt dass ich nicht eine Viertelstunde
Vor konnte sein von ihrem süßen Munde,
Da muss ich nun sein ewig ohne Sie.
Wo, ach, wo ist sie nun, die Werte, die?
Sagt's sicher nach, ihr stummen Wasserscharen,
Wie herzlich oft wir beide bei euch warm;
Bringt's kühnlich aus, ihr Lüfte! was ihr wisst,
Wie vielmal wir uns haben geküsst.
Du blasser Mund, was ist's nunmehr gewesen,
Dass du so oft von ihrem bist genesen?
Wo ist dein Geist, ihr süßer Atem hin,
Von dessen Kraft ich noch verzaubert bin?
Ich ruf' euch an, o Sonn', o, Mond, o Sternen,
Und was uns sonst das Glück winkt von fernen.
Ich ruf euch an, seid Zeugen über mir.
Was ich für Angst hier leide wegen ihr!
Ade, du Platz den Göttern selbst begehret,
Der du sie mir so vielmal hast gewähret,
Sei tausendmal, sei tausend tausendmal
Gegrüßt! du bleibst in Lust, ich leb' in Quant!
Ihr Bäch', ihr Büsch', ihr Gärten und Gefilder,
Und was ihr hegt; ihr schönen Lenzesbilber,
Du Sommerlust, du Herbst, du Winterzier!
Zu guter Nacht; Ich scheid'; Ihr bleibt bei Ihr!
Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
aus: „Deutsche Gedichte“. Herausgegeben von J. M. Lappenberg, Stuttart. Gedruckt auf Kosten des Litterarischen Vereins 1865
Gedanken an die Zeit
Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit;
so wißt, ihr Menschen, nicht von und in was ihr seid.
Dies wißt ihr, daß ihr seid in einer Zeit geboren
und dass ihr werdet auch in einer Zeit verloren.
Was aber war die Zeit, die euch in sich gebracht?
Und was wird diese sein, die euch zu nichts mehr macht?
Die Zeit ist was und nichts, der Mensch in gleichem Falle,
doch was dasselbe was und nichts sei, zweifeln alle.
Die Zeit, die stirbt in sich und zeugt sich auch aus sich.
Dies kömmt aus mir und dir, von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen,
doch aber muss der Mensch, wenn sie noch bleibet, weichen.
Die Zeit ist, was ihr seid, und ihr seid, was die Zeit,
nur daß ihr weniger noch, als was die Zeit ist, seid.
Ach daß doch jene Zeit, die ohne Zeit ist, käme
und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme,
und aus uns selbsten uns, daß wir gleich könnten sein,
wie der jetzt jener Zeit, die keine Zeit geht ein!
Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
Deutsche Gedichte. Herausgegeben von J. M. Lappenberg, Stuttart. Gedruckt auf Kosten des Litterarischen Vereins 1865
An die Liebste
Laß uns blühen, wie wir blühn,
Eh der Winter welker Haare
Dir die goldgemengten Haare
Wird mit Silber überziehn,
Eh mir dieser Mund erblasset,
Der dann haßt und wird gehasset.
Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
Deutsche Gedichte. Herausgegeben von J. M. Lappenberg, Band I. Stuttart. Geduckt auf Kosten des Litterarischen Vereins 1865
Der Kuß
Nirgends hin als auf den Mund
Da sinkt’s in des Herzens Grund
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen
Nicht mit gar zu fauler Zungen
Nicht zu wenig, nicht zuviel
Beides wird sonst Kinderspiel
Nicht zu laut und nicht zu leise
Bei dem Maß ist rechte Weise
Nicht zu nahe, nicht zu weit
Dies macht Kummer, jenes Leid
Nicht zu trocken, nicht zu feuchte
Wie Adonis Venus reichte
Nicht zu harte und nicht zu weich
Bald zugleich, bald nicht zugleich
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle
Nicht ohn Unterschied der Stelle
Halb gebissen, halb gehaucht
halb die Lippen eingetaucht
Nicht ohn Unterschied der Zeiten
Mehr allein als vor den Leuten
Küsse nun ein jedermann
Wie er weiß, will, soll und kann
Ich nur und mein Mädchen wissen
Wie wir uns recht sollen küssen
Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
Lied aus: „Weltliche Oden, oder, Liebesgesänge : Erster Teil“ von Andreas Hammerschmidt (1611 – 1675). Freiberg, 1642.
Das Nachthorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)
1.
Wünsch mir, allerliebste Freundin,
eine angenehme, unbeschwerte Nacht.
Wenn mein Herz an deine treue Liebe denkt,
erfüllt mich das mit großer Freude
und lässt mich durchhalten
in dieser Zeit, in der ich
unglücklich und einsam
fern von dir bin
und niemand mich zu
trösten vermag außer du.
Die Sehnsucht
lässt mich nicht schlafen,
da ich nachts sehr viel an dich denke.
Süße Träume wecken meine Begierde,
so dass ich mir wünsche,
ich hätte das Glück,
sorglos eine Liebesnacht
ohne Ende verbringen zu können.
2.
Meine Sehnsucht lässt dich nicht los.
Deshalb wünsche ich mir oft,
auch du würdest von mir träumen, davon,
dass ich ganz unbeschwert bei dir wäre,
so, wie du es magst,
ans Herz gedrückt
und immer wieder
von deinen weißen Armen zärtlich umarmt,
und lass du, Liebste, im Schlaf
deine herzallerliebsten Brüste streicheln
würdest, wie ich es mir wünsche und so,
als ob ich selbst da wäre.
Auf diese Weise würde ich gern erwachen,
und mein Herz wäre sofort vergnügt.
3.
Oft bin ich soweit,
dass ich geradewegs glaube,
dich zu sehen, liebste Freundin,
als ob du leibhaftig in deiner ganzen
Schönheit vor mir stehen würdest,
so dass ich meine, es sei wirklich so,
und außer mir vor Freude bin.
Sobald deine Gestalt
sich jedoch verflüchtigt,
bereitet das meinem armen Herzen
bitteren Schmerz.
Je unglücklicher ich bin,
desto mehr muss ich an
die schönste Zeit
mit dir denken.
Denn die Sehnsucht nach dir
hält mich gefangen,
bis du mich aus meiner Einsamkeit erlöst.
Mönch von Salzburg
Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters
Originaltext in Mittelhochdeutsch:
Das Nachthorn
1.
Zart libste frau in liber acht,
wünsch mir ain liblich, frölich nacht,
wann so mein hercz dein treü betracht,
das freüet all mein kraft und macht
auf stäten syn,
so ich nu pin
dahin,
ellend und ain,
und nymand main
zu trösten mich
wenn dich.
mit senen ich den slaf bekrenk,
daz ich dy nacht gar vil an dich gedenk;
süzz trëum dy machent mich so gail,
daz ich mir wünsch das hail,
daz ich slaffen
solt an straffen
in sölcher liber sach an end.
2.
Dich lät nicht ain meins herczen gir,
dar umb so wünsch ich me wenn zwit,
daz dir sol traumen auch von mir,
wy ich gar frölich sey bey dir
und doch in gut
nach deinem munt
behut,
und daz du, mynnikliche dirn,
in süzzen slaf dy herczen libsten pirn
umbvingest nach dem willen mein,
als ich da selb solt sein:
in den sachen
sold entwachen,
mein hercz, sold frölich sein behend.
3.
Enczuket wird ich oft so hart,
daz ich wën an der selben vart,
ich seh dich, libstez frëulin zart,
vor mir gepildet schon von art
gar weiblich stan,
daz ich denn han
den wan,
ym sey also,
und pin gar fro
in herczen grund:
zu stund,
so mir entwischet dein figur,
das wirdt dem armen herczen vil ze sur,
ez mant mich an dy libsten zeit,
y herter ez ym leit;
wann dein belangen
hat gevangen
mich, bis du tröstest mein ellend.
Das Taghorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)
1.
Wach ganz leise
und behutsam auf,
liebste Freundin!
Blinzle durch deine Wimpern
und sieh,
wie sich das dunkle Grau
zwischen den
Sternen hellblau färbt.
Nun wach auf süße,
angenehme Weise auf,
meine Liebste,
und begrüße dein Herz,
das bei mir ist,
seit ich auf deine Stimme
verzichten muss.
Mögest du mir in Gedanken
ohne jede Falschheit ganz still
einen angenehmen guten Tag wünschen,
wie du ihn mir in deiner
Güte heute noch mit vielen
liebevollen Blicken zärtlich wünschen wirst,
so dass mein Herz vor Freude zusammenzuckt
und voller Zuversicht ist, wie sie
mir deine Güte nach Frauenart schenkt,
bis mir endlich
dein Mund selbst einen guten Tag wünscht.
2.
Wach
voller Liebe auf!
Reck deine kleinen Arme,
streck deine kleinen Füße.
Ich wecke dich,
indem ich dir die Decke wegziehe.
Entblöße dein Herz
und deine schönen Brüste,
die mich Armen nachts um den Verstand bringen.
Heb den Kopf
und höre
die seltsame Musik,
mit der dein Freund
dich wecken will.
Liebste, ich denke
Tag und Nacht
an den Anfang
unserer Liebe und daran,
wie das zärtliche Liebesspiel
mein Herz gefangen nahm,
als wir voller Liebe unsere Herzen tauschten,
so dass mein Herz bei dir blieb.
Im Gegenzug erhielt ich
deines von dir, liebste Freundin,
und trage dich auf diese Weise
überall tief im Innersten bei mir.
3.
Ich wünsche dir
eine angenehme Zeit,
in der vollkommene Freude
und höchstes Glück
dich stets begleiten mögen.
Lass mich wissen, Liebste,
was du dir wünscht.
Das will ich täglich für dich tun,
denn ich habe nie etwas lieber getan.
Hätte ich das Glück,
dich täglich sehen zu können,
so gäbe es keinen Mann
auf der ganzen Welt,
der jemals größere Freude empfunden hätte.
Dich, liebste Freundin,
anzusehen genügt mir,
um glücklich zu sein.
Denn alles an dir ist
voller Anmut, mögen die
auch übermütig spotten,
denen dein Verhalten missfällt.
Lass mich gehen, Liebste,
denk an mich und mach dir keine Sorgen.
Schlaf glücklich wieder ein,
es ist noch früh.
Bleib mir immer in Liebe verbunden.
Mönch von Salzburg
Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters
Originaltext in Mittelhochdeutsch:
Das Taghorn
1.
Gar gar leis
in senfter weis
wach, libste fra!
plik durch dy pra
und scha,
wy tunkel gra
so gar fein pla
ist zwischen dem gestirn.
nu wach, mein mynnikliche dirn,
in liber süzz
und grüzz
dein aigenz hercz bey mir,
seind ich enpir
der stymm von dir,
daz mir gar still
dein rainer will
wünsch liben guten tag,
den mir hëut sag
tugentlichen,
mynniklichen
dein güt mit mangem liben plik,
so daz mein hercz in freüden schrik
zu trost der libsten zuversicht,
der mir dein weiblich güt verjicht,
bis das geschicht,
daz mir wünsch guten tag dein mund.
2.
Erwach
in liber sach!
dein ärmlin rek,
dein füzlin strek,
ich wek
dich auz der dek,
dein hercz enplek
und brüstlin wolgestalt,
dy dem armen tun dy nacht gewalt.
dein haup enpör
und hör
das wunderlich geschell,
wy dein gesell
dich weken well.
frau, ich betracht
all tag und nacht
den libsten anevang,
wy mich betwang
liblich scherczen
in dem herczen,
da ich den libsten wechsel traib,
so daz mein hercz pey dir belaib:
des wechsels ich her wider wart
von dir, mein libstez freülin zart,
und han all vart
dich pey mir in meins herczen grund.
3.
Lib zeit,
dy gancz frëud geit,
sey dein gelait
mit sälikait.
berait
mich, frau gemait,
wy dein will sait,
das wil ich täglich mern,
wann ich getet ny ding so gern.
wurd mir das hail
zu tail,
dich täglich sehen an,
auf erd ny man
sölch freüd gewan:
wenn so ich dich,
traut frau, an sich,
so han ich freüd genug;
wann du pist chlug
mit gelympfen,
frölich schympfen
zu tratz, den dein gepërd missvelt.
gib urlaub mir, frau auzerwelt:
gedenk an mich und hab dein ru
und slaf mie freüden wider zu,
ez ist noch fru.
tu dein genad mir all zeit kund
Auf der Sommerreise mit Tante M. und W. D. durch die Schweiz
Bin ich nicht ein Mägdelein
Wandelnd hin durch Frühlingswiesen
Bin ich nicht ein Mägdelein
Die das Glück hat auskiesen?
Freu mich daß die Blumen blühn
Daß die weißen Wolken ziehn
Bin so durch und durch zufrieden
Weiß ich, komm ich um die Ecke
Liegt das Glück mir in der Hecke.
Paula Modersohn-Becker
Paula Modersohn-Becker (1846 -1907), deutsche Malerin, Künstlerin
aus: „Briefe und Tagebuchblätter“ von Paula Modersohn-Becker. Herausgegeben und biographisch eingeführt von Gallwitz. Verlag: Kurt Wolff Verlag, München, 1925. Worpswede, Tagebuchblatt, Auf der Sommerreise mit Tante M. und W. D. durch die Schweiz, Seite 84