Briefe

Mein heißer, roter Mund.

Briefe

Ein Wörtlein! Schaut so klein sich an,
Daß es mein Mund bedecken kann,
Mein heißer, roter Mund.
Und birgt doch eine Welt für mich!
O Gott! Er schreibt: „Ich liebe dich!"
Das macht mein Herz gesund.

Ein Wörtlein! Sieht so winzig aus!
Und wankt um mich doch rings das Haus
Bei jedem Federstrich!
Und fliegt und bebt mir doch die Hand,
Als hielt' ich einen Feuerbrand!
"Ach, du! Und ich ..! Und ich ..!"

Frieda Jung

Anna Friederike Jung, geschiedene Brauer (1865 – 1929), ostpreußische Schriftstellerin, Heimatdichterin, Erzählerin in Niederpreußisch

Liebe

Bis daß sie im Herzen

Liebe

In kindlicher Seele
erdämmert die Liebe,
wie Grünes der Erde
im Frühling entkeimt.

Im Herzen der Jungfrau
da knospet die Liebe,
von künftiger Herrlichkeit
sinnend sie träumt.

Bis daß sie im Herzen
des Weibes entfaltet
zu üppigster Blüte
19berauschend erprangt.

Im Herzen der Mutter
zur edelsten Reife,
zur Krone des Alls,
zur Vollendung gelangt

Clara Müller-Jahnke,

Clara Müller-Jahnke, geborene Müller (1860 – 1905, deutsche Dichterin, Journalistin, Frauenrechtlerin

Mutter Erde

leise singt der Frühlingswind

Mutter Erde

Mitternächtges Dunkel spinnt
um die Welt ein heimlich Träumen;
leise singt der Frühlingswind
in den knospenschweren Bäumen.
Fern noch einer Lampe Schein,
und der Himmel schwarz verhangen – –
in den dunklen Birkenhain
bin ich einsam ausgegangen.
Schmeichelnd um die Stirne streicht
mir der Lenznacht weicher Odem,
aus den feuchten Beeten steigt
Erdgeruch und Nebelbrodem.
Aus dem Schoß der Wolken fällt
groß und warm der erste Tropfen –
und mir ist, das Herz der Welt
hör ich in der Stille klopfen.
Durch die Nacht, so kirchenstill,
30geht ein Raunen und ein Regen,
jedes kleinste Pflänzchen will
Zwiesprach mit dem Schöpfer pflegen.
Was in dunklen Tiefen schlief,
ruft ans Licht ein neues Werde –
und die Kniee beug ich tief
31zur gebenedeiten Erde. –

Clara Müller-Jahnke

Clara Müller-Jahnke, geborene Müller (1860 – 1905, deutsche Dichterin, Journalistin, Frauenrechtlerin

Flamme

Was sträubst du dich der süßen Glut

Flamme

Was sträubst du dich der süßen Glut,
die züngelnd schon dein Haupt versengt,
die liebeheißen Atems dich
mit Flammenarmen eng umdrängt?!

Die Glut bin ich - und du bist mein!
wirf ab, wirf ab das Alltagskleid:
gib deine ganze Seele hin
in ihrer nackten Herrlichkeit!

Umschlingen will ich glühend dich
und pressen dich ans heiße Herz,
die Kette schmelzen, die dich band,
in meinem Kuß wie tropfend Erz!

Und flüstern will ich dir ins Ohr
ein Wörtlein, zaub'risch wunderfein,
daß du nichts andres denken sollst,
als mich allein, als mich allein . . . 

Clara Müller-Jahnke

Clara Müller-Jahnke, geborene Müller (1860 – 1905, deutsche Dichterin, Journalistin, Frauenrechtlerin

Liebesoffenbarung

Und mein Herz, ein scheues Kind

Liebesoffenbarung

Weißt du die geheime Kund'
Nicht errathend zu erkennen,
O dann soll mein stolzer Mund
Nimmer meine Lieb' dir nennen.

Sagt der leise Schmerzenszug,
Meinen Lippen eingepräget,
Dir nicht deutlich klar genug,
Was mein Innerstes beweget;

Tönt aus meiner Stimme Ton,
Weich, voll schmerzensfreud'gen Bebens,
Dir nicht mein Geständniß schon,
Dann wär' auch das Wort vergebens.

Und mein Herz, ein scheues Kind,
Flieht das Wort, das kalte, leere!
Seine Dragomane sind
Nur der Blick, der Ton, die Zähre.

Betty Paoli

Barbara Elisabeth Babette Glück (1814-1894), österreichische Dichterin, Übersetzerin, Journalistin, Schriftstellerin, Publizistin, Sprachlehrerin, Erzieherin,Novellistin. Pseudonyme: Barbara Grund, Betti Paoli, Branitz.

Frühlingsgedanken II.

Nach solchen Glückes heiligen süßen Spenden

Frühlingsgedanken

II.

Nicht wahr, ihr Alle wünscht, wenn einst die Stunde

Gekommen, wo die andern Wünsche enden,

In eurer Lieben Mitte zu entsenden

Den letzten Hauch vom todesblassen Munde?

Verlangt es mich im tiefsten Seelengrunde

Nach solchen Glückes heilig süßen Spenden,

Muß ich mich an den holden Frühling wenden,

Den einz'gen Freund, mit welchem ich im Bunde.

Und weil kein and'rer Gruß die dunkle Gruft

Mit Liebesschimmer sanft mir wird umfärben,

Wenn nicht sein Gruß als Licht und Sang und Duft,

Möcht ich mir dieses milde Loos erwerben:

Zur Zeit der Blühten und der sonn'gen Luft
An schönen Frühling's schönstem Tag zu sterben!

Betty Paoli

Barbara Elisabeth Babette Glück (1814-1894), österreichische Dichterin, Übersetzerin, Journalistin, Schriftstellerin, Publizistin, Sprachlehrerin, Erzieherin,Novellistin. Pseudonyme: Barbara Grund, Betti Paoli, Branitz.

Frühlingsgedanken I.

Fort trieb mich’s an den Busen der Natur

Frühlingsgedanken

I.
 Fort trieb mich's an den Busen der Natur
Aus meiner Zelle, d'rin ich lang verschlossen,
Und staunend sah mein Auge Wald und Flur
Von Sonnenstrahlen goldig übergossen.

Es sprach das Licht: O sag! was trauerst du?
Kann meine Macht dein Dunkel nicht versüßen?
Und liebvoll säuselte die Luft mir zu:
Ich will die Thräne dir vom Auge küssen!

Der rasche Strom sang mir ein brausend Lied:
Des Lebens Hast magst du in meiner sehen!
Und als die Sonne fern von hinnen schied,
Sprach tröstend sie von Sterben und Vergehen!  -

Betty  Paoli

Barbara Elisabeth Babette Glück (1814-1894), österreichische Dichterin, Übersetzerin, Journalistin, Schriftstellerin, Publizistin, Sprachlehrerin, Erzieherin,Novellistin. Pseudonyme: Barbara Grund, Betti Paoli, Branitz.

Frühlingsahnung

Doch ich weiß: zur Wonne geht

Frühlingsahnung

Wenn des Winters starrer Traum
Berg und Flur mit Schnee bedecket,
Jeder dürre Zweig am Baum
Jammernd sich gen Himmel strecket:

Kannst du da begreifen, sag′
Wie nach wen′gen Mondesneigen
Der jetzt frosterstarrte Hag
Einen Blüthenflor wird zeigen?
 
Doch du weißt, der lichte Trost
Naht auf unsichtbaren Wegen
Und im rauhen Winterfrost
Lächelst du dem Lenz entgegen.

Und so kann, so kann auch ich
Nicht begreifen und nicht fassen,
Wie in meiner Seele sich
Noch ein Glück wird ziehen lassen.

Doch ich weiß: zur Wonne geht,
Wer da wallt auf Dornenbahnen,
Und durch meinen Winter weht
Ein tief selig Frühlingsahnen!

Betty Paoli 

Barbara Elisabeth Babette Glück (1814-1894), österreichische Dichterin, Übersetzerin, Journalistin, Schriftstellerin, Publizistin, Sprachlehrerin, Erzieherin,Novellistin. Pseudonyme: Barbara Grund, Betti Paoli, Branitz.

A Rose-bud by my early walk

A Rose-bud by my early walk

A rose-bud, by my early walk
Adown a corn-inclosed bawk,
Sae gently bent its thorny stalk,
All on a dewy morning.
Ere twice the shades o' dawn are fled,
In a' its crimson glory spread
And drooping rich the dewy head,
It scents the early morning.

Within the bush her covert nest
A little linnet fondly prest,
The dew sat chilly on her breast,
Sae early in the morning.
She soon shall see her tender brood,
The pride, the pleasure o' the wood,
Amang the fresh green leaves bedow'd,
Awake the early morning.

So thou, dear bird, young Jeany fair,
On trembling string or vocal air
Shall sweetly pay the tender care
That tents thy early morning!
So thou, sweet rose-bud, young and gay,
Shalt beauteous blaze upon the day,
And bless the parent's evening ray
That watch'd thy early morning! 

Robert Burns

Robert Burns (1759 – 1796), schottischer Dichter, Schriftsteller.

„The Poetical Works of Robert Burns“ by Alexander Smith. With Glossarial Index and Biographical Memoir. „The poetical works of Robert Burns, including the pieces published in his correspondence and reliques; with his songs and fragments“. by Robert Burns. London, 1822. Songs. Page 350 – 351

Das Rosenknöspchen

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft

Das Rosenknöspchen

Ein zartes Rosenknöspchen fand
Ich neulich, das im Lenzgewand
Auf schlankem Stengel glühend stand,
Betaut vom frischen Morgen.
Zwei Frühlingsnächte schwanden kaum
Seit ihm erblüht des Lebens Traum,
Und Duft es haucht' am Wiesenschaum
Bei himmelblauem Morgen.

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft
Sein Nest im Busch zu baun gewußt,
Saß neben ihm, die warme Brust
Vernetzt vom tauigen Morgen;
Bald sieht's vielleicht in Mutterglut,
Wie Schwingen hebt die jung Brut,
Und zwitschernd über Wald und Flut
Begrüßt den heitern Morgen.

So du, lieb Vöglein, zarte Maid,
Erblüht in holder Sittsamkeit,
Lohnst auch der Pflege, dir geweiht
An deines Lebens Morgen;
Ein Rosenknöspchen, jung und schön,
Wirst du im Blumengarten stehn,
Und Segensduft den Lieben wehn,
Die dich bewacht am Morgen!

Robert Burns

Robert Burns (1759 – 1796), schottischer Dichter, Schriftsteller.

aus: Robert Burns‘ Gedichte, übersetzt vom schottischen ins deutsche von. Wilhelm Gerhard. Mit des Dichters Leben und erläuternden Bemerkungen. Gedichte, Lieder und Balladen. Seite 153 – 154