Freundschaft

Weil Tugend nicht, noch Geistesgabe

Freundschaft

Weil Tugend nicht, noch Geistesgabe
Den Eigensinn des Schicksals rührt,
Das uns den kurzen Weg zum Grabe
Durch Blumenflur und Wüste führt,
Weil alles hier den Wechsel fühlet,
Das Glück mit unsern Wünschen spielet,
Das beste Herz sich oft verirrt
Und seines Irrthums Opfer wird;

Soll ich mit finsterm Blick und träge,
Tief in mich selbst verhüllet, gehn;
Nicht Blumen pflücken, die am Wege
Sich düftend mir entgegen blähn?
Vorübereilend frostig grüßen
Den guten frommen Wandersmann;
Nicht freundschaftlich mich an ihn schließen,
Und, ach! so lang ich immer kann,
Das Glück, ein Mensch zu seyn, genießen?

Erfindungsreich zu ihrer Qual
Ist die Vernunft, die dieß befahl.
Zum Vorrecht ward sie uns gegeben;
Doch ach! indem wir uns durch sie
Vor allen Thieren stolz erheben,
Verbittern wir uns selbst das Leben
Und erndten Gram für unsre Müh.
Ein guter Gott hat nicht vergebens
Gestreuet Freuden ohne Zahl
Auf die bedornte Bahn des Lebens;
Er läßt von allen uns die Wahl.
Hier beut der Reichthum seine Schätze;
Dort zeigt der Ruhm uns goldne Plät,
Noch unerfüllt im Götterchor;
Auch steigt im lachenden Gefilde
Der Tempel Amors dort hervor;
Daß er sein rohes Herz zur Milde,
Zur Anmuth seine Sitten bilde,
Eilt flatternd ihm der Jüngling zu;
Ihn suchet lächelnd selbst der Weise,
Und sammlet hier, durch kurze Ruh,
Sich neue Kräfte zu der Reise.
Ruhm, Liebe, Reichthum weicht zurück!
Erhabne, sanfte Seelen finden,
Sich sehen, Sympathie empfinden,
In Einem heitern Augenblick
Auf Ewigkeiten sich verbinden;
Dieß ist der Menschheit erstes Glück,
Und dieses nur kann michentzünden!
Es ist so reizend, seinem Pfad
In Wüsten, die kein Fuß betrat,
Mit einein Freundenachzuspüren;
So reizend, mit geschlungner Hand,
An einer gähen Tiefe Rand,
Auf morschen Stegen sich zu führen;
Dem Dürstenden, aus hohler Hand,
Den ersten Labetrunk zu bringen;
Wenn Stürme gegen Stürme ringen
Und Wanderern Verderben dräun,
Mit ihm des Mantels Schutz zu theilen,
Und in dem schauervollsten Hain,
Wo Räuberlauern, Wölfe heulen,
Beym Mittagsstral, bey Mondenschein,
Durch Unschuld sicher zu verweilen;
Noch reizender, des Schöpfers Macht
Mit der Musik des Hains zu preisen;
In einerhohen Linde Nacht
Am Tische der Natur zu speisen;
Bey jedem müherfüllten Gang
Sich zu ermuntern mit Geschwätzen,
Und, unter freudigem Gesang,
An kühle Bäche sich zu setzen.

O Freundschaft, erstgebornes Kind
Des liebevollesten der Wesen,
Süß, wie die Träume vom Genesen
Dem hofnungslosen Kranken sind!
O, dieses Lebens Labyrinth,
Was wär’ es ohne dich? Verbreite
Dein mildes Licht auf meinen Schritt
Stolz auf dein göttliches Geleite,
Geh’ ich, wohin du führest, mit.
Als Knaben hast du mich getragen,
Als Jüngling warnend mich gelenkt;
Erbarmt hast du dich meiner Klagen,
Auf Wunden, die du mir geschlagen,
Mit neuen Freuden mich getränkt.
Dich will ich im Genuß verehren,
Dir will ich danken im Verlust;
Es stillen sich des Abschieds Zähren
An eines neuen Freundes Brust;
Oft, wenn das wunde Herz noch blutet,
Führt den Gefährten unvermuthet
Ein Umweg wiederauf uns zu;
Die frühe sich verloren hatten,
Begegnen sich im Abendschatten,
Und gehen Hand in Hand zur Ruh.

 Ihr, meiner Wallfahrt erste Wonne,
Ihr Edlen, die mein Arm umschloß,
Als noch auf uns die Morgensonne
Ihr allbelebend Feuer goß,
Vergebens grüßet euch mein Seegen,
Vergebens wallt euch meine Brust,
Streckt sich, zur süßgewohnten Lust,
Mein Arm dem eurigen entgegen!
Ihr seyd zerstreut! Auf fernen Wegen
Muß ich, ein Spiel des Schicksals, gehn?
O! werd’ ich in den dunklen Gründen,
Durch die sich meine Schritte winden,
Nicht Einen von euch wiedersehn?


Friedrich Wilhelm Gotter

Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)deutscher Schriftsteller, Dichter

Dem Gesandten der hohen Pforte, Asmi Achmet Effendi

In Stambul, in Berlin, am schwarzen Meer, am Belt

Dem Gesandten der hohen Pforte,
Asmi Achmet Effendi,
zum Andenken gewidmet*

In Stambul, in Berlin, am schwarzen Meer, am Belt,
Scheint Eine Sonne nur am hohen Firmament,
Und herrscht Ein Schöpfer nur. Ob ihr ihn Allah nennt,
Wir Gott; ob ihr für göttlich jene Schrift erkennt,

Wir diese, gilt ihm gleich, wenn jeder die nur hält,

Die er uns selbst ins Herz geschrieben:
Die Menschen alle brüderlich zu lieben.

Susanne von Bandemer

Susanne von Bandemer, geborene Susanne von Frencklin (1751-1828), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

* Der erste noch unverbesserte Entwurf dieses Gedichtes, ward von einem meiner verehrungswürdigsten Freunde ins Türkische übersetzt, und von mir so getreu nachgeschrieben, daß es der Herr Gesandte in seiner eigenen Sprache lesen konnte. Ich füge hier die türkische Übersetzung, die buchstäblich getreu ist, bey, nebst meinem ersten Entwurfe.

„In Stambul, und am Spreegestade
Scheint Eine Sonne nur am hohen Firmament,
Und herrscht Ein Schöpfer nur. Ob ihr ihn Allah nennt,
Wir Gott, gilt gleich. Der Weise kömmt auf gleichem Pfade

Vor seinen Thron. Er hält, was ihm ins Herz geschrieben.

Die Menschen alle brüderlich zu lieben.“

An …

Die stolze Majestät des Löwen zu bezwingen

An ***
bey der Übersendung einer Haarlocke

Die stolze Majestät des Löwen zu bezwingen,
Muss keine Kette ihn umschlingen;
Verachtend sprengt er sie. – Ein Faden fesselt ihn,
Und willig wird er Amors Wagen ziehn, -
Der Liebe süssgepries'ne Bande
Sind, leider! zu Cytherens Schande,
Nicht immer süss – und Blumenketten rar.
Doch ich, mein Trauter, fess'le gar
Den Mann der Liebe an ein – Haar -!

Susanne von Bandemer, geborene Susanne von Frencklin (1751-1828), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

Das Hüttchen im Walde

Das meinen Wunsch in sich verschließt

Das Hüttchen im Walde 

So arm und klein das Hüttchen ist,
Das meinen Wunsch in sich verschließt,
So neidenswert wär' doch mein Los
Dürft' ichs bewohnen! — Sorgenlos
Und stets zufrieden, wär' gewiß
Mir dann die Welt ein Paradies.
So aber ist sie ohne dich
Nur eine Wüstenei für mich.

Gabriele Baumberg

Gabriele Bacsányi geborene von Baumberg (1785 – 1789), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

Der Schmetterling

Dies Wunder der Natur entging

Der Schmetterling
auf einem Vergißmeinnichtchen

Ein Blümchen, das sich zwar nicht mehr
Für unsre Lage schickt,
Hab' ich doch, Freund, von Ungefähr
Für dich jüngst abgepflückt.

Denn wiss', als ich es pflückte, hing
Ein Schmetterling daran.
Ich sah, dass auch ein Schmetterling
Dies Blümchen lieben kann.

Dies Wunder der Natur entging
Dann meinem Blicke nicht:
Drum schick' ich dir den Schmetterling
Und das Vergißmeinnicht.

Gabriele Baumberg

Gabriele Bacsányi (geborene von Baumberg (1785 – 1789), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

An gewisse Leute

Das ich dem Monde nur mein Leiden eingesteh

An gewisse Leute

Ihr Unempfindlichen macht mir es zum Verbrechen,
Das ich dem Monde nur mein Leiden eingesteh',
Und das ich stundenlag mit Blumen weiß zu sprechen,
Und nicht zu euch mich Rat erholen geh'?

Nein! Lieber sei mein Zufluchtsort ein Garten!
Hier klag' ich Florens Kindern meine Not:
Und hab' ich gleich nicht Trost von ihnen zu erwarten,
So lohnen wenigstens mich keins davon - mit Spott.

Gabriele Baumberg

Gabriele Bacsányi (geborene von Baumberg (1785 – 1789), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

Der Frühlingsmorgen

Die holde Frühlingssonne

Der Frühlingsmorgen

Der erste Frühlingsmorgen
Erwachet über mir,
Und findet mich in Sorgen,
Und sieht mich fern von dir.

Sonst fand er mich in Freuden
An deiner trauten Hand,
Mir waren Trennungsleiden
Und Gram noch unbekannt.

Nun treibt mich banges Sehnen
Auf Wiese, Feld und Au:
Dort mischen meine Thränen
Sich mit dem Morgenthau.

Obschon zu künft'gen Früchten
Die Erde Blüthen trägt,
Die Nachtigall Geschichten
Von treuer Liebe schlägt;

Die holde Frühlingssonne
Auf uns hernieder lacht,
Und jedes Herz zur Wonne
Und zum Gebeth erwacht:

Theil' ich doch nicht die Freuden,
Theil' ich die Andacht nicht,
Ich fühle nur die Leiden
Schwer drückendes Gewicht,

Nur, dass ich fern, o Trauter,
Von deinem süssen Kuss,
Der Erde Fest mit lauter
Wehklage feyern muss.

Gabriele Baumbeg

Gabriele Bacsányi (geborene von Baumberg (1785 – 1789), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

Frühlingsgedanke

Vögel singen, neues Leben,

Frühlingsgedanken

Vögel singen, neues Leben,
Frisches Grün an Blatt und Baum:
Für die Vögel neue Lieder,
Für das Herz ein neuer Traum!

Doch das Leben wird veralten,
Hin zur Erde welkt das Grün;
Blumen senken ihre Häupter:
Wirst, mein Traum, auch du verblüh’n?

Ferdinande Brackel

Ferdinande Maria Theresia Freiin von Brackel (1835-1905), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: E. Rudorf


Es war ein Traum

Der erste Traum des Herzens

Es war ein Traum

Es war ein Traum -
Und ach, wie war er sonnig,
Wie freudenvoll und wie bezaubernd schön,
Wie eines Frühlings erster Morgen:
Doch ach, zu reizend auch, um zu besteh'n.

Es war ein Traum
So duftig wie die Rose,
Die eben erst der Knospe sich entwand,
So spiegelnd lockend wie der Regenbogen, -
Doch rasch, wie jener, der entschwand.

Es war ein Traum,
Der erste Traum des Herzens -
Es war des jungen Herzens erster Mai;
Es war das Glück, das sich ihm schimmernd zeigte:
Und wie die Seifenblase sprang's entzwei.

Es war ein Traum! -
Hart war es, zu erwachen,
Er hatte zu viel Seligkeit gebracht.
So folgt wohl auf den ersten Tag im Lenze
Die eisig kalte Winternacht.

Es war ein Traum!
Jetzt ist er längst vergessen.
Daß einst ich träumt', ich weiß es kaum;
Zuweilen nur zuckst's schmerzlich durch die Seele:
Dann sag' ich leis: "Es war ein Traum." 

Ferdinande Brackel

Ferdinande Maria Theresia Freiin von Brackel (1835-1905), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: E. Rudorf


Zugvögel

Das Vöglein in blauer Luft / Zugvögel

Vöglein in blauer Luft,
Hab' dich so gerne,
Schwebst über Meer und Kluft
Sanft wie die Sterne,
Hin, wo der Frühling blüht,
Trägst du dein schwellend Lied --
Grüß' mir die Ferne!

Wenn sich dein Flügel spannt 
Seligem Triebe, 
Fühlt sich das Herz verbannt, 
Wo ich auch bliebe -- 
Vöglein vergiß mir nicht, 
Was meine Sehnsucht spricht: 
Grüß' mir die Liebe!

Fliegst in die Welt hinein, 
Hörst nicht mein Flehen? 
Willst nicht mein Bote sein? 
Kannst nicht verstehen, 
Ob ich gelacht, geweint? 
Nun denn, Ade mein Freund, 
Laß mich vergehen!

Und eine andre Schaar 
Regt das Gefieder -- 
Ewig mir treu und wahr 
Bleiben die Lieder! 
Tragen den Gruß in's All,
Bringen des Himmels Schall 
Göttlich mir wieder!

Karoline Fidler

Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz