Sie saßen und tranken am Theetisch
Sie saßen und tranken am Teetisch
und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
die Damen von zartem Gefühl.
„Die Liebe muß sein platonisch“,
der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch.
Und dennoch seufzet sie: „Ach!“
Der Domherr öffnet den Mund weit:
„Die Liebe sei nicht zu roh,
sie schadet sonst der Gesundheit.“
Das Fräulein lispelt: „Wieso?“
Die Gräfin spricht wehmütig:
„Die Liebe ist eine Passion!“
Und präsentieret gütig
die Tasse dem Herren Baron.
Am Tische war noch ein Plätzchen;
mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
von deiner Liebe erzählt.
Heinrich Heine
aus: „Buch der Lieder“, 1827, Seite 154- 155, Hoffmann und Campe, Hamburg, 1827
Bild: Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), (1797 – 1856), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons