Die Raupe und der Schmetterling

Ein kleine Raupe lag

Die Raupe und der Schmetterling

Eine kleine Raupe lag,
In ihr Leichentuch gesponnen,
Tot im Angesicht der Sonnen,
Und es war der schönste Tag.

Ein schöner Schmetterling
Kam geflogen, setzte sich
Neben sie, und sagte: dich
Arme Raupe wird nun bald
Die allmächtige Gewalt,
Die dort oben strahlt, erheben;
Und, in schönerer Gestalt
Als du starbest, wirst du leben!
Ach! Ich will doch Achtung geben,
Wie du zu dem neuen Leben
Wirst hervor gehn!

Plötzlich warf
Sie die Schaal' ab, ließ sie liegen,
Und, der schöne Schmetterling
Sah den neuen Engel fliegen,
Wenn ich ihn so nennen darf.

J. W. L. Gleim

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer

Die Katze und die Maus

Lauf Mäuschen!

Die Katze und die Maus

Einst spielte eine Katze
Mit einer kleinen Maus.
»Lauf', Mäuschen!« sagte sie, und warf die scharfe Tatze
Liebkosend nach, ließ auf und nieder
Sie laufen, fing sie wieder
Und sah vergnügt und freundlich aus.

»Ach, liebe Katze!« sprach die Maus,
»Ich kenne diese Schmeicheleien
Und diese Scherze; ach! sie dräuen
Mir armem Mäuschen bittern Tod!«

»Was?« sprach die Katze, »das ist Spott!«
Und biß sie todt!

J. W. L. Gleim

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer

Das Leben ernten

gleich der fruchtreichen Ähre

Das Leben ernte, gleich der fruchtreichen Ähre. Di eine reift, die andere welkt schon hin.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Rache nehmen

Die beste Art, sich an Jemand zu rächen, ist die, es ihm nicht gleich zu tun.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Langsam zum Zorn!

Bedenke, dass nicht derjenige dich kränkt

Langsam zum Zorn!

XX. Bedenke, daß nicht derjenige dich kränkt, welcher dich schmäht, oder schlägt; sondern die Meinung, als liege darin etwas Kränkendes. Wenn dich also jemand ärgert, so wisse, daß dich deine Meinung geärgert hat. Deßhalb versuche es vor Allem, dich nicht von der Vorstellung hinreißen zu lassen. Hast du nur einmal Zeit und Aufschub gefunden, so wirst du dich um so leichter beherrschen.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Geistesfreiheit

Denn wenn das wahre Gut in den Dingen besteht

Geistesfreiheit

XIX, 2. Wenn du einen hochgeehrten, oder vielvermögenden, oder sonst angesehenen Mann siehst, so hüte dich, dass du nicht, von der Vorstellung hingerissen, ihn glücklich preisest. Denn wenn das wahre Gut in den Dingen besteht, welche in unsrer Gewalt sind, so findet weder Neid noch Eifersucht Raum; und du selbst wirst nicht Heerführer, oder Ratsherr, oder Konsul sein wollen, sondern frei. Dazu führt nur ein Weg: – Verachtung der Dinge, die nicht in unsrer Gewalt sind.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Der Wille ist frei

Krankheit ist ein Hindernis des Körpers

Der Wille ist frei

IX. Krankheit ist ein Hindernis des Körpers, aber nicht des Willens, wenn er nicht selbst will. Lähmung ist ein Hindernis des Fußes, aber nicht des Willens. Und so denke bei allem, was dir begegnet; denn du wirst finden, dass es wohl ein Hindernis für etwas anderes ist, aber nicht für dich.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Du hast dein Glück in der Hand

wir werden erlangen, was wir begehren

Glück

II, 1. Bedenke, daß die Begierde verheißt, wir werden erlangen, was wir begehren; der Widerwille aber verheißt, es werde uns nicht widerfahren, was er zu meiden sucht. Wer nun nicht erlangt, was er begehrt, ist unglücklich, und wem widerfährt, was er gerne vermeiden möchte, ist es doppelt. Wenn du aber bloß dasjenige zu meiden suchst, was der Natur der Dinge, die in deiner Gewalt sind, zuwider ist, so wird nichts von dem widerfahren, was du meiden willst. Willst du aber Krankheit meiden, oder Armut, oder Tod, so wirst du unglücklich sein.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Eigentum

Einige Dinge sind in unserer Gewalt, andere nicht

Eigentum

I, 1. Einige Dinge sind in unserer Gewalt, andere nicht. In unserer Gewalt sind: Meinung, Trieb, Begierde, Widerwille: kurz: Alles, was unser eigenes Werk ist. – Nicht in unserer Gewalt sind: Leib, Vermögen, Ansehen, Ämter, kurz: Alles, was nicht unser eigenes Werk ist.

Epiktet

Epiktet (um 50 – 138 n. Chr.) griechischer Stoiker und Philosoph. Gründer einer Philosophenschule der Stoa

Eben so wenig kann eine Handlung

zu welcher ein für den Charakter des Handelnden

Eben so wenig kann eine Handlung, zu welcher ein für den Charakter des Handelnden zureichendes Motiv vorhanden ist, unterbleiben, wenn nicht ein stärkeres Gegenmotiv ihre Unterlassung notwenig macht.

Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860), deutscher Philosoph, Hochschullehrer, Schriftsteller