Späte Sonne
Der Puls des Lebens ist der Nachmittag,
Wann sich die Sommerlichter seltsam färben
Und wie betäubt in gelber Glut erstreben
Im schweren Gold, dem unser Herz erlag.
Ein spätes Flimmern recht auf Laub und Hag,
Die langsam uns verzehren und verderben.
Und wie ein edler Wein aus dunklen Scherben
Rennt unser Blut,
das nichts mehr hemmen mag.
O laß den Schlummer nicht die Lider schließen,
Daß nicht der trunknen Klarheit stummes Fließen.
Dein Herz durchdringt, das freme Wunder schaut!
Die Strahlen brennen und ihr Gift ist tödlich:
O harre aus, bis dämmerhaft und rötlich
Der Abend auf die blassen Bäume taut.
Wolf von Kalckreuth
Wolf von Kalckreuth (1887 – 1906), deutscher Dichter, Übersetzer
aus ‚Holländische Landschaften, Acht Sonneten, Verlag Daphnis-Presse 1920
Es gab nur 40 Ausgaben davon.
‚Gedichte‘, Insel-Verlag zu Leipzig, 1908
‚Nicht gleicht der Süße deiner Worte‘ und weitere aus dem Band