Vorsätze

den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen

Vorsätze

Ich will den Gänsekiel in die Schwarze Flut tauchen. Ich will einen Roman schreiben. Schöne, wahre Menschen sollen auf den Höhen des Lebens wandeln, auf ihrem offenen Anlitz soll sich die Freiheit widerspiegeln ...

Nein. Ich will ein lyrisches Gedicht schreiben. Meine Seele werde ich auf sammetgrünem Flanell betten, und meine Sorgen werden kreischend von dannen ziehen ...

Nein. Ich will eine Ballade schreiben. Der Held soll auf blumiger Aul mit den Riesen kämpfen, und wenn die Strahlen des Mondes auf seine schöne Prinzessin fallen, dann ...

Ich will den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen. Ich werde meinem Onkel scheiben, daß ich Geld brauche.

anonym

Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky (1890 – 1935) deutscher Schriftstellerin, Journalist, Lyriker, Kabarettautor, Satiriker, Romanautor. Jurist, Liedtexter, Literatur-, Film-, Musikkritiker. Texter für Bühnenstücke

Es war Kurt Tucholsky einer seiner ersten journalistischen Arbeiten.

‚Vorsätze‘ wurde am 22. November 1907 in der deutschen Satire-Zeitschrift ‚Ulk‘, ein Beiblatt des kostenlosen ‚Berliner Tageblatt‘.

Märchen

Es war einmal ein Kaiser

Märchen

Er war einmal ein Kaiser, der über ein unermeßlich großes, reiches und schönes Land herrschte. Und er besaß wie jeder andere Kaiser auch eine Schatzkammer, in der inmitten all der glänzenden und glitzernden Juwelen auch eine Flöte lag. Das war aber ein merkwürdiges Instrument. Wenn man nämlich durch eins der vier Löcher in die Flöte hineinsah - loh! was gab es da alles zu sehen! Da war eine Landschaft darin, klein, aber voll Leben: Eine Thomasche Landschaft mit Böcklinschen Wolken und Leistikowaschen Seen. Rezniceksche Dämchen rümpften die Nasen über Zillesche Gestalten, und eine Bauerndirne Meuniers trug einen Arm voll Blumen Orliks - kurz, die ganze moderne Richtung war in der Flöte.

Und was macht der Kaiser damit? Er pfiff drauf.

anonym
Ulk, 22.11.1907, Nr. 47,
wieder in: Mit 5 PS

Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky (1890 – 1935) deutscher Schriftstellerin, Journalist, Lyriker, Kabarettautor, Satiriker, Romanautor. Jurist, Liedtexter, Literatur-, Film-, Musikkritiker. Texter für Bühnenstücke

Foto: Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

Es war Kurt Tucholsky einer seiner erste journalistisch Arbeit.

‚Märchen‘ wurde am 22. November 1907 in der deutschen Satire-Zeitschrift ‚Ulk‘, 36. Jahrgang, Nummer 47, Seite 5

Die Satirezeitschrift ‚Ulk‘ erschien von 1872 bis 1933 als Gratisbeilage des Berliner Tageblatts. Von September 1910 bis November 1930 war ‚Ulk‘ auch der ‚Berliner Volks-Zeitung‘ beigelegt.

um die Seele kümmern

Vollkommenheit der Seele richtet die Schwächen

Man soll sich mehr um die Seele als um den Körper kümmern. Vollkommenheit der Seele richtet die Schwächen des Körpers auf, aber die Kraft deines Körpers macht die Seele nicht besser.

Demokrit

Demokrit von Abdra (um – 370 v. Chr.) Naturphilosoph und lachende Philosoph

Des Domes Pfeilergänge

Nachhallen noch die Glocken

Des Domes Pfeilergänge

Durchrauch das Flutgedränge,
Die Glocke kommt ins Schwingen
Ins Summen und ins Klingen,
Zum Schiffer tönt's hinauf.

In blauen Mondennächten
Entringt den Wogenmächten
Jumnenta sich, die Zinnen
Erschimmern, silbern rinnen
Die Tropgen dran herab.

Wie eine Wundermäre
Jumneta steht, die hehre,
Um ihre weißen Hallen
Die Wasser singend wallen
Und schwebt der Glockenton.

Bis es mit Tagesleuchten
Rücksinkt in Meersfeuchten;
Nachhallen noch die Glocken,
O Fischer, flieh ihr Locken,
Sonst wird dir's angetan.

Weiß nicht, ob du's begehrtest,
Daß du mit wiederkehrtest, -
Gewiegt vom Wellenrollen
Wirst gerne schlafen wollen
Bei solchem Schlummersang.

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

aus: ‚Gedichte‘ . Luise Deusch. 1909, Verlag J. F. Steinkopf Verlag, Stuttgart

‚Chronik der Slaven‘ Helmold, Lappenberg, Wattenbach u.a. 1910 Dyk’sche Buchhandlung, Leipzig

In dieser Chronik wird erwähnt vom Untergang von Jumneta (Vineta), ab Seite 6

Der Sage nach soll es sich beim dem Gedicht um Vineta handeln.

kurze Biografie

Sternschnuppen

Die Himmelsähren bleiben droben stehn

Sternschnuppen

Es war an einem Abend, einem stillen,
Und aufzugehn begann die Himmelsaat.
Eh ich in meiner Liebsten Pförtlein trat,
Hob ich die Hände, wie um sie zu füllen -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?

Kein einzig Korn fiel golden zu mir nieder;
Die Himmelsähren bleiben droben stehn,
Indes wir Armen unten hungernd gehn,
Und Wolken breiten dunkeles Gefieder -
Oder sprachest du mir nicht von Liebe?

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

kurze Biografie

Komm, ich atme Seelendüfte

Rosenbeet, vor jenen Wangen

Komm, ich atme Seelendüfte

Komm, ich atme Seelendüfte,
die sich jener Wang' entschwangen,
Und dem Herzen ward ein Zeichen
eingedrückt von jenen Wangen.

Ist die Deutung auch geblieben
von der Huris heil'gem Prangen!
Kommentare sind geschrieben,
lest sie ab von jenen Wangen!

Zedern wurden krumm wie Weiden,
als wir jenen Wuchs besangen,
Du errötetest bescheiden,
Rosenbeet, vor jenen Wangen.

Von der Weiße deiner Glieder
sind Jasmine schambefangen,
Und in Blut getaucht der Flieder
durch den Purpur jener Wangen.

Düfte hat die Moschusblase
nur aus jenem Haar empfangen.
Rosenwasser prunkt im Glase
mit Geruch von jenen Wangen.

Weil sie dich geliebt, den Stolzen,
ist die Sonn' in Schweiß zergangen,
Und der Neumond ist geschmolzen
in der Höh' vor jenen Wangen.

Muhammad Schams ad-din

Muhammad Schams ad-din (Hafiz) (1315 / 1325 – 1390). persischer Dichter und Mystiker.

Gedicht übersetzt von August Graf von Platen-Hallermünde

Eifersucht

Viele Sonnenstäubchen fliegen

Eifersucht

Alle Steine möcht' ich fragen, ob du hier vorbeigegangen, all die hundert Fensteraugen, ob sie nicht an dir gehangen?

Viele Sonnenstäubchen fliegen, deinen Locken wohl entfallen, deiner lieben Stimme denkend wähn` ich ferne Glocken hallen.

Bei den Birken auf der Höhe, an der schlanksten will ich lehnen, eine täuschende Sekunde mich an deinem Herzen wähnen.

Als ein Waldbach wollt ich eilen, daß du oft an mir dich labest- und ich all die Küsse zählte, die du einer andern gabest"

Risse dich in wildem Zürnen aus den ungetreuen Träumen, um vereint mit dir im Sturze zu zerschellen, zu zerschäumern.

Luise Deusch

Klara Luise Wilhelmine Deusch (1871 – 1925) deutsche Schriftstellerin und Dichterin

kurze Biografie

Ich bin so wild auf deinem wilden Erdbeermund

im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar

Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny


Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir, und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hats auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart
für mich so tief im Haar verwahrt...
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund...
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Und habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
... ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Paul Zech

Paul Zech

Paul Zech deutscher Schriftsteller, Dichter, Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Übersetzer.

aus: „Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon“. Verlag Erich Lichtenstein, Weimar, 1931.

Das Gedicht ‚Eine verliebte Ballade für Yssabeau d’Außigny‘ auf den Seiten 78 – 79)

François Villon ( 1431 – 1474)

Der Friede ist

ist ein Baum

der Friede ist

Der Friede ist ein Baum, der eines langen Wachstums bedarf.

Antonine de Saint-Exupéry

Antonie de Saint-Exupéry (1900 – 1944), französischer Schriftsteller, Pilot

Aphorisma aus aus: ‚The little Prince‘. Erstveröffentlichung Januar 1943, Verlagshaus Reynal & Hitchcock. Vereinigten Staaten von Amerika (USA). In der USA läuft ds U.S. Copyright am 1. Januar 2039 ab.

Zitronenfalter im April

Ein Tröpfchen Honig

Citronenfalter im April

Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!
Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muß ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.

Eduard Mörike

Eduard Friedrich Mörike (1804 – 1875) deutscher Lyriker, Autor von Prosatexten, Pfarrer

aus: ‚Gedichte‘ 1867. Eduard Mörike. Verlag der JG Cotta’schen Buchhandlung. Seite 377