Der Bach

Du Bach, der unter übergebogenem
Gesträuch

Der Bach
1797

Du Bach, der unter übergebogenem
Gesträuch, und weißem Glimmergeschiefer, sanft
Wie Flöten aus der dunkeln Grotte
Jener bewurzelten Felswand rieselt;

An deinem Rand, der moosig und sanft sich hebt,
Vom Blätterdach vor jeglichem Späheraug',
Und Sonnenblick beschirmt, vergeß' ich
Menschen und Welt und Wunsch und Sorge.

In süßer Ruhe schwanken in's Gleichgewicht
Der Leidenschaft Schaalen; Vergangenheit
Und Zukunf, schwinden im Genuße
Seeliger Gegenwart, matt und dämmernd.

Genuß des Augenblickes! O seltnes Glück
Dem Sterblichen, der immer mit schnellem Fuß
hervor strebt, bald voraus bald rückwärts
Schaut, und darüber des Weges Blumen

Jetzt übersieht, und jetzt zu Boden tritt!
O Quell, der du der Seele die Luft gewährst,
Gewisslich aus der Seeli'gen Fiuren
Sprudelst du aufwärts, im Ausflluß Lethes!

Theone und Nina

Der Traum meines Lebens

Nicht des Ruhms trügerischen Glanze

Der Traum meines Lebens
1796

Nicht des Ruhms trügerischen Glanze
Jagt' ich nach mit nimmersatter Gier;
Nicht in steter Freudenwirbeltanze
Dacht' ich meine Lebenstage mir.

Stilles Glück', vom Himmel mir beschieden,
hätte mir genügt, und ungenannt,
Mit der Welt und mit mir selbst zufrieden,
hätt' ich Gram und Sorge nie gekannt.

Ach da zeigt' ein Wonnetraum im Bilde
Nie gefühlter namenloser Luft,
Mir den Reiz einsicher Gefilde:
Schneller hob sich die beklemmte Brust.

Willig folgt' ich dem Sirenenliede,
Als der Täuschung Traumgesicht verschwand,
hingewelkt war meines Herzens Friede,
Und gelöst der Hoffnung Zauberband.

Theone und Nina

Der gehaschte Schmetterling

Jüngst lag ich am Quellenrande

Der gehaschte Schmetterling
1796

Jüngst lag ich am Quellenrande
Unterm kühlen Pappelschatten.
Sorgenfrei war meine Seele,
heiter, wie des Baches Spiegel.
Um mich schwebten Schmetterlinge,
Wiegten sich auf Blumenkronen
Und beschauten sich im Bache.
Ich betrachte sie lächelnd,
Und mit ruhigem Vergnügen
Schaute bald mein Blick das leichte
Schweben, bald das Spiel der Farben
In den zarten Aetherflügeln.
Sieh da kam ein kleiner Knabe,
Blauer Wassernymphen jagend,
Welche scherzend vor ihm flohen,,
hinter mir aus dem Gesträuche.
keuchend stand er den mir stille,
Warf die blonden Ringellocken
Aus den vollen Gluthenwangen,
Und den süßen Schelmenaugen.
"Ach die schönen Schmetterling"
Rief er, "die dich hier umflattern!"
"Welche Luft, die Iris Gürtel,
"Und den Glanz der Perlenaugen
"Ihrer Fittig', in der Nähe
"Recht nach Muße zu berachten,
"Diese Flattrer fest zu halten!"
Er erregte meine Sehnsucht:
Ich erkohr mir mit den Augen
Den, der mich der schönste hauchte,
Und verließ mein sanftes Lager
Um den Flüchtigen zu fangen.
Aber immer lockend floh er
Vor mir her in kurzen Flügen,
Lockte mich vom Quell der Ruhe
Weit hinweg, in bange Wüsten.
Athemlos und müde folt' ich;
Endlich setzt auf einer Distel
Er sich fest; mit beiden Händen
Durch die Dornen nach ihn tappend,
hascht' ich ihn mit wunden Fingern.
Aber ach! nunmehr gewahrt' ich,
Daß sein ganzer Reiz nur Staub war,
Farbenstaub, den Zephnr abhaucht,
Den der Strahl der Sonne bleichet,
Der im Fangen sich verwischte.
Als ich nun die Täuschung wahrnahm,
kam die Weisheit mir zurücke,
Und ich gab den trügerischen
Buttervogel selbst den Winden,
Und mit ihm auch jede Sorge,
Jeden Wunsch und jede Sehnsucht.
Sucht wieder meinen Quell auf
Unterm kühlen Pappelschatten;
Und nun wird der lose Knabe,
Wolle er nochmals mich verführen,
Wenn er noch so schmeichelnd lockte,
Nimmermehr von ihm mich fernen.

Theone und Nina

Alles wiederholte sich

in ertötender Eintöingkeit

Alles wiederholte sich in ertötender Eintönigkeit, alles glich sich, alles kam wieder. Die Alten hatten gesagt: die Welt hat keine Geheimnisse mehr; wir haben die Auflösung aller Rätsel gefunden, wir haben alle Probleme gelöst. Wir haben mit Hilfe des Spektroskops gesehen, daß die Sonne keinen Sauerstoff besitzt, was sie jedoch nicht hindert, so gut wie Antimon in Chlor oder Kupfer in Schwefel zu brennen.

August Strindberg

Johan August Strindberg (1848 – 1912), schwedischer Künstler, Maler, Dichter, Essayist, Schriftsteller, Dramatiker.

* oberes Bild: GemäldeInferno, 1901′ von August Strindberg

Wenn man zwanzig ist

hat man das Welträtsel gelöst

Wenn man zwanzig ist,
hat man das Welträtsel gelöst:
mit dreißig fängt man an,
darüber nachzudenken,
und mit vierzig
findet man es unlösbar.

August Strindberg

Johan August Strindberg (1848 – 1912), schwedischer Künstler, Maler, Dichter, Essayist, Schriftsteller, Dramatiker.

* oberes Bild: GemäldeInferno, 1901′ von August Strindberg

wir Fotografen

als Künstler

Dürfen wir Fotografen hoffen, jemals als Künstler anerkannt zu werden?

Nadar

Gaspard-Félix Tournachon (1820 – 1910), französicher Schriftsteller, Zeichner, Fotograf, Karikaturist, Luftschiffer. Bekannt auch als Félix Nadar.

* obere Fotografie von Nadar, zeigt Pierrot (Pantomime Jean-Gaspard Deburau (1796 – 1846)

Die Fotografie

ist eine wundervolle Entdeckung

Die Photographie ist eine wundervolle Entdeckung, eine Wissenschaft, die die bedeutendsten Köpfe angeregt hat, eine Kunst, die die scharfsinnigen Geister beflügelt – und die auch von einem Schwachsinnigen ausgeübt werden kann....Was nicht gelehrt werden kann, ist das Gespür dafür.

Nadar

Gaspard- Félix Tournachon (1820 – 1910), französicher Schriftsteller, Fotograf, Zeichner, Karikaturist, Luftschiffer. Bekannt auch als Félix Nadar.

* obere Foto zeigt Félix Nadar in einem Ballon

Wer andere besiegen will

muß sich selbst besiegen

Wer andere besiegen will, muß sich selbst besiegen;
wer andere richten will, muß sich selbst richten; wer andere kennen will, muß sich erst selbst kennen. In den Liedern heißt es: Er faßte den Zügel wie ein Gewebe.

Lü Bei We  呂不韋 / 吕不韦

Lü Buwe (300 – 236 v. Chr.), chinesischer Philosoph, Politker, Kaufmann