An*

sanftes Herz, das mein gedacht

Ach, wie ist´s möglich dann,
Daß ich dich lassen kann!
Hab dich so herzlich lieb,
Das glaube mir!
Du hast das Herze mein
Ganz mir genommen ein,
Daß ich kein andre lieb,
Als dich allein!

Blau blüht ein Blümelein,
Das heißt Vergiß nicht mein,
Das Blümelein leg ans Herz,
Und denk an mich!
Stirbt Blum´ und Hoffnung gleich,
Wir sind an Liebe reich,
Denn die stirbt nicht bei mir,
Das glaube mir!

Wär´ ich ein Vögelein,
Bald wollt´ ich bei dir sein,
Scheut´ Falk´ und Habicht nicht,
Flög´ schnell zu dir.
Schöß mich ein Jäger tot,
Fiel´ ich in deinen Schoß,
Sähst du mich traurig an,
Gern stürb´ ich dann! 

Helmina von Chézy

Wilhelmine Christiane de Chézy (1783 – 1856), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin, Librettistin

Seelenklänge der Freundschaft

Ich bin so reich in deinem Angedenken

Seelenklänge der Freundschaft

Ich bin so reich in deinem Angedenken,
Daß ich mich nimmer kann ganz einsam nennen,
Nur wenn ich ganz mich kan hinein versenken,
Vergeß ich es, daß Tal und Flut uns trennen.
Will mir die Welt die eitlen Freuden schenken,

Ich fliehe sie, und mag sie nimmer kennen,
Welt, Himmel, Lenz und Liebe sind vereint,
Wo mir dein Bild, ein süßer Stern, erscheint. 

Helmina von Chézy

Wilhelmine Christiane de Chézy (1783 – 1856), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin, Librettistin

An Adolph Selmnitz

ein Ort – wohin wir ziehen

An Adolph Selmnitz

Was paßt, das muß sich ründen,
Was sich versteht, sich finden,
Was gut ist, sich verbinden,
Was liebt, zusammensein.
Was hindert, muß entweichen,
Was krumm ist, muß sich gleichen,
Was fern ist, sich erreichen,
Was keimt, das muß gedeihn.

Gib traulich mir die Hände,
Sei Bruder mir und wende
Den Blick vor Deinem Ende
Nicht wieder weg von mir.
Ein Tempel – wo wir knien –
Ein Ort – wohin wir ziehen
Ein Glück – für das wir glühen
Ein Himmel – mir und dir.

Novalis

Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg (1772 – 1801), deutscher Lyriker

Ein Herbstblatt, das nicht fallen will

Wird’s der Frühling blütenvoll

Ein Herbstblatt, das nicht fallen will

Ausgeweht hat milder West,
Herbstblatt bringt trübe Wetter,
Schüttle, Baum den welken Rest
Deiner letzten Blätter.

Offen ist einmal das Grab,
Alles geht zur Neige,
Streif' auch du dies Blättchen ab
Vom erstorb'nen Zweige!

Gehe hin, was sterben soll!
Aus des Winters Decken
Wird's der Frühling blüthenvoll
Um so früher wecken!

Karl Ferdinand Gutzkow

Karl Ferdinand Gutzkow (1811 – 1878), deutscher Schriftsteller, Journalist und Dramatiker

Freuden

Wie viele Freuden werden zertreten

Wie viele Freuden werden zertreten, weil die Menschen meist nur in die Höhe gucken, und was zu ihren Füßen liegt, nicht achten.

Catharina Elisabeth Goethe

Catharina Elisabeth Goethe (1731 – 1808), Mutter von Johann Wolfgang von Goethe

Meine Lust ist Leben

Gute Nacht, ihr Freunde, ach, wie lebt ich gern!
Dass die Welt so schön ist, dankt' ich dem Herrn.
Dass die Welt so schön ist, tut mir bitter weh,
wenn ich schlafen geh!

Ach, wie möcht' ich einmal noch von Bergeshöhn
meine süße Heimat sonnbeleuchtet sehn!
Und den Herrn umarmen in des Himmels Näh',
eh' ich schlafen geh.

Wie man abends Kinder ernst zu Bette ruft,
führt der Herr mich schweigend in die dunkle Gruft.
Meine Lust ist Leben, doch sein Will' gescheh',
dass ich jetzt schlafen geh'.

Peter Rosegger

Peter Rosegger (1843 – 1918), Pseudonym P. K., Petri Kettenfeier, österreichischer Volksschriftsteller und Erzähler, Autodidakt, begann als Wanderschneider

Künstler und Narren

daß ist recht, das ist ganz so.

Künstler und Narren

Ein Narr sah einen Künstler an einem rohen Stein arbeiten. „Schade, schade“, sagte er, „daß der nicht poliert.“ Der Künstler: „Nein, Guter, wir Steinkünstler machen es nicht wie die Menschenkünstler. Diese gegen den Kindern eine vollendete Politur, eh sie auch nur daran denken, sie zu bearbeiten.“ – „Ja, ja!, sagte der Narr, „daß ist recht, das ist ganz so. Eben so solltet auch ihr es machen.“

Johann Heinrich Pestalozzi

Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827), Schweizer Pädagoge, Sozialreformer

Reichtum

Reichtum fordert freche Gaben

Reichtum

Wer das rote liebt zu sehr, kann das gelbe selten haben;

Wer sich schämt, der wird nicht reich; Reichtum fordert freche Gaben.

Friedrich von Logau

Es mangelt nie

an Gelegenheiten

Es mangelt nie Gelegenheit, was Gutes zu verrichten;

Es mangelt nie Gelegenheit, was Gutes zu vernichten.

Friedrich von Logau

Schönheit

so reibt man sich doch gerne dran

Schönheit

Ob Schönheit gleich nicht nähren kann,

So reibt man sich doch gerne dran.

Friedrich von Logau