Es ist unsere Eigenliebe

zu der uns die Liebe führt

C’est notre amour propre que l’amour nous séduit ; hé comment résister à un sentiment qui embellit à nos yeux ce que nous avons, nous rend ce que nous avons perdu et nous donne ce que nous n’avons pas.

Es ist unsere Eigenliebe, zu der uns die Liebe verführt; he, wie können wir einem Gefühl widerstehen, das in unseren Augen verschönert, was wir haben, uns zurückgibt, was wir verloren haben, und uns gibt, was wir nicht haben.

Nicolas Chamfort

Sébastien Roch Nicolas de Chamfort (1741 – 1794), französischer Dramatiker, Mitglied der Académie Française

Das Glück ist keine leichte Angelegenheit

Das Glück ist keine leichte Angelegenheit.

Le bonheur n’est pas chose aisée: il est tres
difficile de e Trouver en nous, et impossible de
le trouver ailleu rs.

Das Glück ist keine leichte Angelegenheit.
Es ist sehr schwer, es in uns, und unmöglich,
es anderswo zu finden.

Nicolas Chamfort

Sébastien Roch Nicolas de Chamfort (1741 – 1794), französischer Dramatiker, Mitglied der Académie Française

Zum Leben zurück

Wohl ist auch Wandern Glück

 Zum Leben zurück!

Zum Leben zurück!
Verwechsle mir nicht Weg und Ziel!
Wohl ist auch Wandern Glück,
doch leicht wirst du der Füsse Spiel.

Mit deinem Erreisten
siedle dich bei Zeiten an,
und strebe zu leisten,
was fördern kann. 

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Blickfeuer

Du kennst der Küste rege Leuchtturm-Feuer

 Blickfeuer

I.

Du kennst der Küste rege Leuchtturm-Feuer,
die schlaflos ewig wache Wimpern heben,
als seien es des Schicksals Augen selber,
die ruhlos auf der Dinge Wandel rollen, -

Und stehst vielleicht so selber vor den Dingen,
sie immer wieder gross und fragend messend,
indes des Weltmeers ewig gleiche Woge
zu deinen Füssen ihre Rätsel brandet ...


II.

Und dann sind noch andre Feuer,
die mit unbewegter treuer Güte
durch das Dunkel schauen,
wie wohl Augen stiller Frauen
flehn: aus schwankenden Bezirken
komm, im Heimischen zu wirken.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Vogelschau

Ein riesenhafter Erdkloss kreist

 Vogelschau

Begriffst du schon ein Wunder wie dies eine,
dass die Erde um die Sonne fliegt?
0 Nacht, vor deinem Sternenscheine
liegt all mein Menschliches besiegt ...

Ein riesenhafter Erdkloss kreist
unaufhörlich um ein grosses Feuer:
Da gebiert die Scholle Geist -:
der Mensch wird, Zwerg und Ungeheuer, -

Und ruft, Ausschlag der Bodenrinde,
Erd und Himmel tönend an -
und spielt sein Spiel in Weib und Mann ..
gleich einem ewigen Kinde ...

Ja, Kinder-Spiel ist, was da ist,
das sagt dir jede stille Nacht,
und nur dein tiefes Kind-Sein macht,
dass du noch weiter fröhlich bist.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Schwalben

Schwalben, durch den Abend treibend

Schwalben

Schwalben, durch den Abend treibend,
leise rufend, hin und wieder,
kurze rasche Bogen schreibend,
goldne Schimmer im Gefieder -.

Oh, wie möcht' ich dir sie zeigen,
diese sonnenroten Rücken!
Und der götterleichte Reigen
müsste dich wie mich entzücken.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Marguerite

Du standst vor einem Blumenglas am Fenster

 Marguerite

Du standst vor einem Blumenglas am Fenster
und legtest deine Hand
mit einer schönen
unendlich gütigen Bewegung
um eine Marguerite,
ihr von unten her
den Blätterkreis mit der
gekrümmten Hand
verengend
und sie mit einem Seufzer -
mir wenigstens erschien es so -
und voller Liebe anblickend,
dass ich empfand,
dass zwischen dir und jener Blume sich
Geheimnis stiller Zwiesprache
verberge. -
Und wie ich heute selbst
das gleiche Spiel,
mein selber lächelnd, treibe
und ,mit Schmerzen' ende, -
lächle ich nicht mehr -
und denke jenes Abends an dem Fenster
und jener traurig-gütigen Geberde.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Von den heimlichen Rosen

Oh, wer um alle Rosen wüsste

Von den heimlichen Rosen

Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn -
oh, wer um alle wüsste, müsste
wie im rausch durchs Leben gehn.

Du brichst hinein mir rauen Sinnen,
als wie ein Wind in einen Wald -
und wie ein Duft wehst du von hinnen,
dir selbst verwandelte Gestalt.

Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn -
wie im Rausch durchs Liebleln gehn.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Wie sollte man wohl leben

wenn man nicht forwährend bei sich

Wie sollte man wohl leben, wenn man nicht fortwährend bei sich wie bei andern hundertelei Krumm gerade sein ließe.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Natürliche Rechte

Das Recht zu leben wird missbraucht

The right to live is abused whenever it is not constantly challenged.

Das Recht zu leben wird missbraucht, wenn es nicht ständig in Frage gestellt wird.

Bernard Shaw

George Bernard Shaw (1856 – 1950), irischer Dramatiker, Polemiker, Satiriker, politischer Aktivist, Pazifist. Nobelpreis für Literatur 1925.