Welchen Augenblick

jeden und keinen

Welchen Augenblick aber muß man wählen? – Jeden und keinen auf eine bestimmte Weise.

Marquis de Mirabeau

Honoré Gabriel Riqueti, auch Riquetti, „Comte“ de Mirabeau (1749 – 1791), französischer Schriftsteller, Publizist Journalist, Diplomat, Figur der Revolution. Aufklärer

Je größer die Liebe

desto weiter

Je größer die Liebe, desto weiter und mannigfaltiger diese ähnliche Welt.

Novalis

Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772 – 1801), deutscher Schriftsteller, Philosooph

Frühe Sonne, frühe Sonne

Deine wundersel’gen Augen

Frühe Sonne, frühe Sonne,
Ach, wo bist du hingefunden!
All des Tages Jugendwonne
Ist im Morgenrot etrunken.

Deine wundersel'gen Augen,
Inseln aus des Himmels Seen,
Sah ich steigen, untertauchen
In den Morgens erstem Weh'n.

Und es steigt ein Nebelschleier
Übers tiefe, stille Blau;
Eine einsame tiefe Feier
Breitet sich durch Wald und Au'.

ruhig unbewegte Bäume;
Kein Gesang, kein Blattgeräusch!
Spinnet ihr die nächt'gen Träume
Wieder an, ihr Blumen keusch?

O Bolgna, dein Zinnen,
Die gelacht im Sonnenstrahl,
Seh`ich bösen Schmuck gewinnen:
Schwarze Flaggen überall!


Clemens von Bretano

Clemens Wenzeslaus Bretano (1778 – 1842), deutscher Schriftsteller

Die Gnade sprach von Liebe

Die Gnade sprach von Liebe,
Die Ehre aber wacht
Und wünscht voll Lieb' der Gnade
In Ehren gute Nacht.
Die Gnade nimmt den Schlelier,
Wenn Liebe Rosen gibt,
Die ehre grüßt den Freier,
Weil sie die Gnade liebt.

Clemens von Bretano

Clemens Wenzeslaus Bretano (1778 – 1842), deutscher Schriftsteller

Die Vögel

Wie lieblich und fröhlich

Die Vögel

Wie lieblich und fröhlich,
Zu schweben, zu singen;
Von glänzender Höhe
Zur Erde zu blicken!

Die Menschen sind töricht,
Sie können nicht fliegen;
Sie jammern in Nöten,
Wir flattern gen Himmel.

Der Jäger will töten,
Dem Früchte wir pickten;
Wir müssen ihn höhnen,
Und Beute gewinnen.

Friedrich Schlegel 

Karl Wilhelm Friedrich von Schlegel (1772 – 1829), deutscher Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, Kulturphilosoph, Altphilologe, Platoniker

Der Mond

Seht ihr mich milde glänzen

Der Mond

Es streben alle Kräfte,
So matt sie sind, zur Erde doch zu wirken.
In den ew'gen Bezirken
Der schönen Welt ist das nur mein Geschäfte;
Das muß ohnmächtig immer ich versuchen,
Und traurig dem beschränkten Lose fluchen.

Seht ihr mich milde glänzen,
Und warme Sommernächte schön erhellen,
Wo leise Freudewellen
Der Erde Kinder kühlen nach den Tänzen;
Sind's Sonnengeister nur, die sanfter spielen.
Mein eignes Wesen könnt ihr so nicht fühlen.

Doch wenn ich seltsam scheine,
Aus dunkeln Wolken ängstlich vorgeschlichen;
Dann ist die Hüll' entwichen,
Es merkt der Mensch mit Schaudern, was ich meine.
So zeigen Geister sich, um euch zu wecken,
Und lassen ahnden die verborgnen Schrecken.


Friedrich Schlegel  

Karl Wilhelm Friedrich von Schlegel (1772 – 1829), deutscher Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, Kulturphilosoph, Altphilologe, Platoniker

Der Schmetterling

Wie soll ich nicht tanzen

Der Schmetterling

Wie soll ich nicht tanzen,
Es macht keine Mühe,
Und reizende Farben
Schimmern hier im Grünen.

Immer schöner glänzen
Meine bunten Flügel,
Immer süßer hauchen
Alle kleinen Blüten.

Ich nasche die Blüten,
Ihr könnt sie nicht hüten.

Wie groß ist die Freude,
Sei's spät oder frühe,
Leichtsinnig zu schweben
Über Tal und Hügel.

Wenn der Abend säuselt,
Seht ihr Wolken glühen;
Wenn die Lüfte golden,
Scheint die Wiese grüner.

Ich nasche die Blüten,
Ihr könnt sie nicht hüten.

Friedrich Schlegel  

Karl Wilhelm Friedrich von Schlegel (1772 – 1829), deutscher Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, Kulturphilosoph, Altphilologe, Platoniker

Liebe ist der Sinn füreinander

Genuß kann den Sinn beleben

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Das Erste in der Liebe ist der Sinn füreinander, und das Höchste, der Glauben aneinander. Hingebung ist der Ausdruck des Glaubens, und Genuß kann den Sinn beleben und schärfen, wenn auch nicht hervor bringen, wie die gemeine Meinung ist. Darum kann die Sinnlichkeit schlechte Menschen auf eine kurze Zeit täuschen, als könnten sie sich lieben.

Friedrich Schlegel  

Karl Wilhelm Friedrich von Schlegel (1772 – 1829), deutscher Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, Kulturphilosoph, Altphilologe, Platoniker

Der Klapperstorch

Was klappert im Hause so laut? horch, horch!

Der Klapperstorch

1.
Was klappert im Hause so laut? horch, horch!
Ich glaub', ich glaube, das ist der Storch.

Das war der Storch. Seid, Kinder, nur still,
Und hört, was gern ich erzählen euch will.

Er hat euch gebracht ein Brüderlein
Und hat gebissen Mutter in's Bein.

Sie liegt nun krank, doch freudig dabei,
Sie meint, der Schmerz zu ertragen sei.

Das Brüderlein hat euer gedacht,
Und Zuckerwerk die Menge gebracht,

Doch nur von den süßen Sachen erhält,
Wer artig ist und still sich verhält.


2.
Und als das Kind geboren war,
Sie mußten der Mutter es zeigen;
Da ward ihr Auge voll Thränen so klar,
Es strahlte so wonnig, so eigen.

Gern litt ich und werde, mein süßes Licht,
Viel Schmerzen um dich noch erleben.
Ach! lebt von Schmerzen die Liebe nicht,
Und nicht von Liebe das Leben!


3.
Der Vater kam, der Vater frug nach seinem Jungen,
Und weil der Knabe so geweint,
So hat ihm auch der Alte gleich ein Lied gesungen,
Wie er's im Herzen treu gemeint.

Als so ich schrie, wie du nun schreist, die Zeiten waren
Nicht so, wie sie geworden sind,
Geduld, Geduld! und kommst du erst zu meinen Jahren,
So wird es wieder anders, Kind!

Da legten sie, mit gläub'gem Sinn, zu mir dem Knaben
Des Vaters Wappenschild und Schwerdt;
Mein Erbe war's, und hatte noch, und sollte haben
Auf alle Zeiten guten Werth.

Ich bin ergraut, die alte Zeit ist abgelaufen,
Mein Erb' ist worden eitel Rauch.
Ich mußte, was ich hab' und bin, mir selbst erkaufen,
Und du, mein Sohn, das wirst du auch. 

Adelbert von Chamisso (1830)

Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt (1781 – 1838), deutscher Dichter und Naturforscher