O fronte serena

O Sonne,der Wonne

Auff die Italiänische Weise: O fronte serena

O liebliche Wangen,
Ihr macht mir Verlangen,
diß Rote, diß Weiße
zu schauen mit Fleiße.

Und diß nur alleine
ists nicht, das ich meine:
Zu schauen, zu grüßen,
zu rühren, zu küssen,
Ihr macht mir Verlangen,
O liebliche Wangen.

O Sonne der Wonne!
O Wonne der Sonne!
O Augen, sie saugen
das Licht meiner Augen.
O englische Sinnen,
O himmlisch Beginnen,
O Himmel auf Erden
magst du mir nicht werden.
O Wonne der Sonne,
O Sonne der Wonne.

O Schönste der Schönen,
benimm mir diß sehnen.
Komm, eile, komm, komme,
du Süße, du Fromme.
Ach, Schwester, ich sterbe,
Ich sterb', ich verderbe.
Komm, komme, komm, eile,
komm, tröste, komm, heile.
Benimm mir diß sehnen,
O Schönste der Schönen!

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

An den Spiegel

Du rechtes Freudenwerk von früh an bis zu Nachte

An den Spiegel

O Du drei- viermal mehr glückseliger als ich!
Der du der Liebsten Glanz in deinem Auge trägest,
und selbst zu lieben sich das schöne Kind bewegest,
daher sie nur wird stolz, sieht weit hin über mich,


Gibt ihre Gunst ihr selbst, und achtet mehr auf dich,
Indem du bist bemüht, und höchsten Fleiß anlegest,
daß du dich, wie sie sich, an allen Gliedern regest,
durch dich schaut sie sich an, und redet selbst mit sich.


Du rechtes Freudenwerk von früh an bis zu Nachte,
wie mach' ich’s, daß ich sie doch einmal so betrachte,
als wie du allzeit tust? So mein' ich kann es geh’n,


Versuch es einen Tag, und gönne mir dein Glücke.
Und daß ich wieder gleich in ihre Blicke blicke,
So laß dies Auge hier an deine Stelle steh’n.

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

Abschied

Was säumest du, o Seele, zu zerspringen

Abschied

Was säumest du, o Seele, zu zerspringen,
Vor Angst, vor Qual, die dich und mich umringen
Und bist noch du, mein Herze, nicht entzwei,
Tu's doch, tu's bald, und mach' uns beide frei!

O dass ich doch den Tag erleben müssen.
Der mir verbeut, das schöne Kind zu küssen!
Der mir versagt, das liebe Bild zu sehn.
Ach mir! was mehr? es ist um mich geschehn!

Anstatt dass ich nicht eine Viertelstunde
Vor konnte sein von ihrem süßen Munde,
Da muss ich nun sein ewig ohne Sie.
Wo, ach, wo ist sie nun, die Werte, die?

Sagt's sicher nach, ihr stummen Wasserscharen,
Wie herzlich oft wir beide bei euch warm;
Bringt's kühnlich aus, ihr Lüfte! was ihr wisst,
Wie vielmal wir uns haben geküsst.

Du blasser Mund, was ist's nunmehr gewesen,
Dass du so oft von ihrem bist genesen?
Wo ist dein Geist, ihr süßer Atem hin,
Von dessen Kraft ich noch verzaubert bin?

Ich ruf' euch an, o Sonn', o, Mond, o Sternen,
Und was uns sonst das Glück winkt von fernen.
Ich ruf euch an, seid Zeugen über mir.
Was ich für Angst hier leide wegen ihr!

Ade, du Platz den Göttern selbst begehret,
Der du sie mir so vielmal hast gewähret,
Sei tausendmal, sei tausend tausendmal
Gegrüßt! du bleibst in Lust, ich leb' in Quant!

Ihr Bäch', ihr Büsch', ihr Gärten und Gefilder,
Und was ihr hegt; ihr schönen Lenzesbilber,
Du Sommerlust, du Herbst, du Winterzier!
Zu guter Nacht; Ich scheid'; Ihr bleibt bei Ihr!

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

Gedanken an die Zeit

Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit

Gedanken an die Zeit

Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit;
so wißt, ihr Menschen, nicht von und in was ihr seid.
Dies wißt ihr, daß ihr seid in einer Zeit geboren
und dass ihr werdet auch in einer Zeit verloren.
Was aber war die Zeit, die euch in sich gebracht?
Und was wird diese sein, die euch zu nichts mehr macht?
Die Zeit ist was und nichts, der Mensch in gleichem Falle,
doch was dasselbe was und nichts sei, zweifeln alle.
Die Zeit, die stirbt in sich und zeugt sich auch aus sich.
Dies kömmt aus mir und dir, von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen,
doch aber muss der Mensch, wenn sie noch bleibet, weichen.
Die Zeit ist, was ihr seid, und ihr seid, was die Zeit,
nur daß ihr weniger noch, als was die Zeit ist, seid.
Ach daß doch jene Zeit, die ohne Zeit ist, käme
und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme,
und aus uns selbsten uns, daß wir gleich könnten sein,
wie der jetzt jener Zeit, die keine Zeit geht ein!

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

An die Liebste

Laß uns blühen, wie wir blühn

An die Liebste

Laß uns blühen, wie wir blühn,
Eh der Winter welker Haare
Dir die goldgemengten Haare
Wird mit Silber überziehn,
Eh mir dieser Mund erblasset,
Der dann haßt und wird gehasset.

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

Der Kuß

Der Kuß

Nirgends hin als auf den Mund
Da sinkt’s in des Herzens Grund
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen
Nicht mit gar zu fauler Zungen

Nicht zu wenig, nicht zuviel
Beides wird sonst Kinderspiel
Nicht zu laut und nicht zu leise
Bei dem Maß ist rechte Weise

Nicht zu nahe, nicht zu weit
Dies macht Kummer, jenes Leid
Nicht zu trocken, nicht zu feuchte
Wie Adonis Venus reichte

Nicht zu harte und nicht zu weich
Bald zugleich, bald nicht zugleich
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle
Nicht ohn Unterschied der Stelle

Halb gebissen, halb gehaucht
halb die Lippen eingetaucht
Nicht ohn Unterschied der Zeiten
Mehr allein als vor den Leuten

Küsse nun ein jedermann
Wie er weiß, will, soll und kann
Ich nur und mein Mädchen wissen
Wie wir uns recht sollen küssen

Paul Flemming

Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt

Das Nachthorn

Meine Sehnsucht lässt dich nicht los

Das Nachthorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)

1.
Wünsch mir, allerliebste Freundin,
eine angenehme, unbeschwerte Nacht.
Wenn mein Herz an deine treue Liebe denkt,
erfüllt mich das mit großer Freude
und lässt mich durchhalten
in dieser Zeit, in der ich
unglücklich und einsam
fern von dir bin
und niemand mich zu
trösten vermag außer du.
Die Sehnsucht
lässt mich nicht schlafen,
da ich nachts sehr viel an dich denke.
Süße Träume wecken meine Begierde,
so dass ich mir wünsche,
ich hätte das Glück,
sorglos eine Liebesnacht
ohne Ende verbringen zu können.
 
2.
Meine Sehnsucht lässt dich nicht los.
Deshalb wünsche ich mir oft,
auch du würdest von mir träumen, davon,
dass ich ganz unbeschwert bei dir wäre,
so, wie du es magst,
ans Herz gedrückt
und immer wieder
von deinen weißen Armen zärtlich umarmt,
und lass du, Liebste, im Schlaf
deine herzallerliebsten Brüste streicheln
würdest, wie ich es mir wünsche und so,
als ob ich selbst da wäre.
Auf diese Weise würde ich gern erwachen,
und mein Herz wäre sofort vergnügt.
 
3.
Oft bin ich soweit,
dass ich geradewegs glaube,
dich zu sehen, liebste Freundin,
als ob du leibhaftig in deiner ganzen
Schönheit vor mir stehen würdest,
so dass ich meine, es sei wirklich so,
und außer mir vor Freude bin.
Sobald deine Gestalt
sich jedoch verflüchtigt,
bereitet das meinem armen Herzen
bitteren Schmerz.
Je unglücklicher ich bin,
desto mehr muss ich an
die schönste Zeit
mit dir denken.
Denn die Sehnsucht nach dir
hält mich gefangen,
bis du mich aus meiner Einsamkeit erlöst.

Mönch von Salzburg

Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters

Das Taghorn

Blinzle durch deine Wimpern

 Das Taghorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche)

1.
Wach ganz leise
und behutsam auf,
liebste Freundin!
Blinzle durch deine Wimpern
und sieh,
wie sich das dunkle Grau
zwischen den
Sternen hellblau färbt.
Nun wach auf süße,
angenehme Weise auf,
meine Liebste,
und begrüße dein Herz,
das bei mir ist,
seit ich auf deine Stimme
verzichten muss.
Mögest du mir in Gedanken
ohne jede Falschheit ganz still
einen angenehmen guten Tag wünschen,
wie du ihn mir in deiner
Güte heute noch mit vielen
liebevollen Blicken zärtlich wünschen wirst,
so dass mein Herz vor Freude zusammenzuckt
und voller Zuversicht ist, wie sie
mir deine Güte nach Frauenart schenkt,
bis mir endlich
dein Mund selbst einen guten Tag wünscht.
 
2.
Wach
voller Liebe auf!
Reck deine kleinen Arme,
streck deine kleinen Füße.
Ich wecke dich,
indem ich dir die Decke wegziehe.
Entblöße dein Herz
und deine schönen Brüste,
die mich Armen nachts um den Verstand bringen.
Heb den Kopf
und höre
die seltsame Musik,
mit der dein Freund
dich wecken will.
Liebste, ich denke
Tag und Nacht
an den Anfang
unserer Liebe und daran,
wie das zärtliche Liebesspiel
mein Herz gefangen nahm,
als wir voller Liebe unsere Herzen tauschten,
so dass mein Herz bei dir blieb.
Im Gegenzug erhielt ich
deines von dir, liebste Freundin,
und trage dich auf diese Weise
überall tief im Innersten bei mir.
 
3.
Ich wünsche dir
eine angenehme Zeit,
in der vollkommene Freude
und höchstes Glück
dich stets begleiten mögen.
Lass mich wissen, Liebste,
was du dir wünscht.
Das will ich täglich für dich tun,
denn ich habe nie etwas lieber getan.
Hätte ich das Glück,
dich täglich sehen zu können,
so gäbe es keinen Mann
auf der ganzen Welt,
der jemals größere Freude empfunden hätte.
Dich, liebste Freundin,
anzusehen genügt mir,
um glücklich zu sein.
Denn alles an dir ist
voller Anmut, mögen die
auch übermütig spotten,
denen dein Verhalten missfällt.
Lass mich gehen, Liebste,
denk an mich und mach dir keine Sorgen.
Schlaf glücklich wieder ein,
es ist noch früh.
Bleib mir immer in Liebe verbunden.

Mönch von Salzburg

Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters

Du bist die Ruhe, Sicherheit bist du

Mein brennend Antlitz fühl in deinen Händen

Du bist die Ruhe, Sicherheit bist du.
Mein brennend Antlitz fühl in in deinen Händen,
In deinem Kuß still ich mein bitter Schluchzen,
Ich habe ja die Liebe nicht gekannt!

Paul Ernst

Carl Friedrich Paul Ernst (1866 – 1933), deutscher Schriftsteller, Novellist, Essayist, Journalist

Die Macht der Worte

daß der Schuster zu seinem Leisten gehört

Insofern der Satz die logische Beziehung ausdrückt, ist er natürlich immer richtig; in allem aber, was über diese hinausgeht, braucht er nicht immer etwas Wahres auszudrücken. So kann man etwa gegen den Satz, daß der Schuster zu seinem Leisten gehört, sehr begründete Einwendungen machen.

Paul Ernst

Carl Friedrich Paul Ernst (1866 – 1933), deutscher Schriftsteller, Novellist, Essayist, Journalist