Weissagung 1773 An der Eiche Sprössling gelehnt, von hellen Düften umhüllt, stand die Telyn, und schnell Erscholl sie von selbst; doch ich liess Unerweckt sie mir erschallen. Da entströmt' ihr rascher Verdruss, da zürnte Wirbelnd ihr Ton! Eilend ging ich, und nahm Die drohende, dass sie dereinst Zum Vergelt nicht mir verstumte. Aus des Rosses Auge, des Hufs Erhebung, Stampfen des Hufs, Schnauben, Wiehern und Sprung Weissagten die Barden; auch mir Ist der Blick hell in die Zukunft. Obs auf immer laste? Dein Joch, o Deutschland, Sinket dereinst! Ein Jahrhundert nur noch; So ist es geschehen, so herscht Der Vernunft Recht vor dem Schwertrecht! Denn im Haine brauset' es her gehohnes Halses, und sprang, Flug die Mähne, dahin Das heilige Ross, und ein Spott War der Sturm ihm, und der Strom ihm! Auf der Wiese stand es, und stampft', und blickte Wiehernd umher; sorglos weidet' es, sah Voll Stolz nach dem Reiter nicht hin, Der im Blut lag an dem Gränzstein! Nicht auf immer lastet es! Frey, o Deutschland, Wirst du dereinst! Ein Jahrhundert nur noch; So ist es geschehen, so herscht Der Vernunft Recht vor dem Schwertrecht! Friedrich Gottlieb Klopstock
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 – 1803), deutscher Dichter, Epiker
„“Politische Gedichte aus Deutschlands Neuzeit: von Kopstock bis auf die Gegenwart! von Herman Marggraf (1809 – 1864). Verlag: Kössling, Leipzig, 1847. Seite2