Frühlingsglauben

Die linden Lüfte sind erwacht

Frühlingsglauben

Die linden Lüfte sind erwacht,
sie säuseln und wehen Tag und Nacht,
sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
man weiß nicht, was noch werden mag,
das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden!

Ludwig Uhland

Ludwig Uhland (1787 – 1862)

Der Unzufriedne

Schicksaal! unglücksvolle Leiden

Der Unzufriednde

Horat. Deformis aegrimonia

"Schicksaal! unglücksvolle Leiden,
Heißt du Sterblichen die Freuden,
Die die steile Laufbahn hat,
Grausam rauben. Bange Tränen,
Die sich nach der Bahre sehnen,
Zu erzwingen, ist dein Rat.
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Friedrich Hölderlin

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843), Johann Christian Friedrich Hölderlin, deutscher evangelischer Theologe, Dramatiker und Lyriker

Der nächste Beste

Und freigelassen der Nachtgeist

Der nächste Beste

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............ offen die Fenster des Himmels
Und freigelassen der Nachtgeist,
Der himmelstürmende, der hat unser Land
Beschwäzet, mit Sprachen viel, unbändigen, und 
Den Schutt gewälzet
Bis diese Stunde.
Doch kommt das, was ich will,
Wenn .........................................
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Friedrich Hölderlin

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843), Johann Christian Friedrich Hölderlin, deutscher evangelischer Theologe, Dramatiker und Lyriker

Der Lieblingsbaum

Lichtdurchwirkten Schatten nur

Der Lieblingsbaum

Den ich pflanzte, junger Baum,
Dessen Wuchs mich freute,
Zähl ich deine Lenze, kaum
Sind es zwanzig heute.

Oft im Geist ergötzt es mich,
Uber mir im Blauen,
Schlankes Astgebilde, dich
Mächtig auszubauen.

Lichtdurchwirkten Schatten nur
Legst du auf die Matten,
Eh du dunkel deckst die Flur,
Bin ich selbst ein Schatten.

Aber haschen soll mich nicht
Stygisches Gesinde,
Weichen werd ich aus dem Licht
Unter deiner Rinde.

Frische Säfte rieseln laut,
Rieseln durch die Stille.
Um mich, in mir webt und baut
Ew'ger Lebenswille.

Halb bewußt und halb im Traum
Über mir im Lichten
Werd ich, mein geliebter Baum,
Dich zu Ende dichten. 

Conrad Ferdinand Meyer

Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898), Schweizer Dichter

Morgenlied

Um hellem Amselschlag

Morgenlied

Mit edlen Purpurröten
Und hellem Amselschlag,
Mit Rosen und mit Flöten
Stolziert der junge Tag.
Der Wanderschritt des Lebens
Ist noch ein leichter Tanz.
Ich gehe wie im Reigen
Mit einem frischen Kranz.

Ihr taubenetzen Kränze
Der neuen Morgenkraft
Geworfen aus den Lüften
Und spielend aufgerafft -
Wohl manchen ließ ich welken
Noch vor der Mittagsglut:
Zerrissen hab' ich manchen
Aus reinem Übermut!

Mit edelen Purpurröten
Und hellem Amselschlag.
Mit Rosen und mit Flöten
Stolziert der junge Tag -
Hinweg, du dunkle Klage,
Aus all dem Licht und Glanz!
Den Schmerz verlorner Tage
Bedeckt ein frischer Kranz.

Conrad Ferdinand Meyer

Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898), Schweizer Dichter

Ich habe keine Zeit

Das ist nicht allein die allergewöhnlichste und billigste Ausrede

Ich habe keine Zeit. Das ist nicht allein die allergewöhnlichste und billigste Ausrede, wenn man sich einer nicht gerade formell bestehenden Pflicht oder Aufgabe entziehen will, sondern in der Tat – es wäre Unrecht, dies zu leugnen – die, welche den größten Gehalte und Anschein von Wahrheit hat.

Carl Hilty

Carl Andreas Hilty (1831 – 1909), Schweizer Staatsrechtler und Laientheologe

Sei nicht stolz auf einen Vorzug

der nicht dein eigen ist

Sei nicht stolz auf einen Vorzug, der nicht dein eigen ist. Wenn ein Pferd in stolzer Selbsterhebung sagen würde: „Ich bin schön“, So wäre dies erträglich; wenn du aber mit Stolz sprächest: „Ich habe ein schönes Pferd“, so bist du stolz auf des Pferdes Vorzug. Was gehört dir dabei? Die Denkungsart. Mit Recht wirst du dann stolz sein können, wenn du darin richtig handelst, denn dann bist du auf eine gute Eigenschaft stolz, die wirklich dir angehört.

Carl Hilty

Carl Andreas Hilty (1831 – 1909), Schweizer Staatsrechtler und Laientheologe

Das Glück

sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden

Das Glück des Lebens besteht nicht sowohl darin, wenig oder keine Schwierigkeiten zu haben, sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden.

Carl Hilty

Carl Andreas Hilty (1831 – 1909), Schweizer Staatsrechtler und Laientheologe

Deine Liebe hat mich beschlichen

Hat schon das Herz ihr gerühret

Deine Liebe hat mich beschlichen

Deine Liebe hat mich beschlichen,
Wie der Frühling die Erde,
Wann der Winter nun ist entwichen,
Kaum merkt sie, daß warm es werde.
Aber der Sonne heimliche Kraft
Hat schon das Herz ihr gerühret,
In der Wurzel regt sich der Saft,
Noch ehe der Zweig es spüret.
Der Schnee zerschmilzt, die Wolken zergehn,
Die erste Blüt' ist entglommen,
Dann sieht sie in voller Glut sich stehn
Und weiß nicht, wie es gekommen.

Friedrich Rückert

Freimund Raimar (1788 – 1866),, deutscher Dichter, Lyriker und Übersetzer arabischer, hebräischer, indischer, persischer und chinesischer Dichtung