Morgenrot
Hinaus, hinaus! der Morgen raut,
Es öffnet sich die Welt!
Bald tritt hervor die Himmelsbraut
Aus duft'gem Purpurzelt!
Es reget sich in stiller Brust
Der Kräfte schlummernd Heer,
Es wollt die unerschaff'ne Luft
Ein nachtbedecktes Meer.
Es senkt das glüh'nde Himmelsrot
Sich auf den bangen Traum,
Und augenblicklich schmilzt die Rot
Im lichtererfüllten Raum!
Es bricht der Dämme dunkler Wall -
Und Leidenschaft und Tat
Stürzt sich in das enflallmmte All,
Des Aufgang's goldn'ne Saat!
Karoline Fidler
Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz
aus: Gedichte“ von Karoline Fidler. 1844. Als Handschrift erschienen. Seite: 3
Winternacht
(vom Liebchen)
Hu, wie in kalter Fluth
Rinnet das heiße Blut,
Nachtfrost durchschüttelt mich,
Winter ist fürchterlich.
Athem aus off'ner Gruft
Strömet die eis'ge Luft,
Schlägt an die Wange rauh,
Färbt mir die Locke grau.
Sieh' wie die Schatten zieh'n,
Lichtlein in Nacht verglüh'n,
Alles ist todt und weiß,
Bin wohl allein nur heiß?
Echo vom Abschieds-Gruß
Seufzt unter meinem Fuß,
Trägt mich von Lust durch Graus
Heim zu dem öden Haus.
Schnee in dem weißen Arm
Halt' mir die Knospen warm!
Liebchen an deiner Brust
Ließ ich des Lebens Lust.
Kalt auch das Stübchen?
Warm sind die Lieder -
Gute Nacht Liebchen!
Ich seh' dich wieder!
Karoline von Fidler
Karoline von Fidler (1801-1874), deutsche Dichterin. andere Namen: Karoline Winkler, Karoline Charlotte Schultz
aus: Gedichte“ von Karoline Fidler. 1844. Seite: 65 – 66
Schön-Ellen.
Der junge Kaiser reitet
vorbei an Schön-Ellens Haus,
Schön-Ellen lehnet im Erker
und schaut aus dem Fenster hinaus.
Der junge Kaiser ist traurig,
er grüßt nach Schön-Ellens Tür;
Schön-Ellen tritt aus der Pforte
licht wie der Morgen herfür.
Der blonde junge Kaiser
tritt zur Kemenate herein –
doch langsam geht er von dannen
bei des Tages frührotem Schein ...
Dann reckt er sich in den Schultern,
in Lust ist sein Trauern verkehrt,
es summt ihm ein Lied auf den Lippen,
und singend steigt er zu Pferd:
»O du weiße Pracht in dunkler Nacht!
O du stolze, du siegende Kaisermacht!«
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Die Hexen und andere Balladen. Schön-Ellen
Waldhexe
»Du, meine Sinne sind wild nach dir –
nichts fühl ich, als das tolle Verlangen,
daß du nur einmal am Halse mir
selig-gekreuzigt möchtest hangen!«
»Dann will ich dich küssen im taumelnden Rausch,
glühend – bis deine Lippen bluten,
bis im glückseligen Wonnetausch
auflodern all die verhaltenen Gluten!«
*
Das Hexenweib lag am Felsenschacht
und blickte hinauf zu den Höhn;
sie seufzte so wild in die herbstliche Nacht
und klagte ihr Sehnen dem Föhn.
Und der Föhn, der trug es weit fort ins Land
und erzählte von ihrer Qual
dem wogenumbrandeten Meeresstrand
und den murmelnden Quellen im Tal.
Der erzählte: Da unten im Zauberwald
haust eine verwunschene Fei,
allnächtlich vernehm ich der Huldgestalt
wahnsinnigen Sehnsuchtsschrei.
Ich höre die Worte, die sie spricht,
in atemverhaltendem Lauschen,
seh, wie sie wankend zusammenbricht,
wenn im Dickicht die Zweige rauschen.
Und ich seh eine nordische Reckengestalt
im Mondlicht, dem totenblassen,
die sie an sich preßt mit Titanengewalt
im tollen selgen Umfassen.
Dann wird es lebendig im stillen Grund,
dann weichen die Nebelschleier,
dann saugt sich die Teuflin ihm fest an den Mund,
dämonisch mit Höllenfeuer –
Und sie schluchzt: »Was weißt du von meinem Begehr,
und daß ich nach dir fast verschmachtet,
daß ich deiner geharrt, mein Pfühl blieb leer –
Komm, teil ihn mit mir, wenn es nachtet ...
Teil alles mit mir, was ich geben kann,
was mein in der Hölle, auf Erden –
Du sollst noch heut der glückseligste Mann
in meinem Zauberwald werden!
Meinen schimmernden Perlenschmuck wirst du mir
in die wallenden Locken binden,
und Seide vom Indusstrand wollen wir
um die schlanken Glieder uns winden.
Laß meiner Zähne aufleuchtendes Weiß
in die nackte Brust sich dir graben,
laß dich küssen, – küssen so glühend heiß,
ich muß, ich will dich ja haben! ...
Mit lechzenden Lippen will ich heut Nacht
deine schäumende Jugendkraft trinken,
bis goldig im Osten das Frührot erwacht,
und taumelnd zu Füßen dir sinken.
Und du lösest mit wollustbebender Hand
meine Haare, die goldig-roten,
die wallen hernieder auf mein Gewand,
als wenn feurige Schlangen lohten.
Und ich werfe mich über mein Lager hin,
bebend vor tollem Begehren ...
So sehnsuchtsdurchglüht war noch nie mein Sinn,
du, – heut will ich nichts dir verwehren!«
*
»Dein eigen bin ich im Liebesrausch
so ganz, bis die Sinne dir schwinden –
du sollst im wahnsinngen Wonnetausch
die Seligkeit bei mir finden ...
Komm, laß mich endlich an deiner Brust,
einschlummern, wenn es nachtet,
ich hab, wie kein Weib sonst, nach dir in Lust
heimlich – glühend geschmachtet!«
*
»Jetzt hab ich dich endlich, jetzt bist du mein,
doch bald deckt Frührot die Halde –
und ich weiß es: Beim dämmernden Morgenschein
mußt du fort von mir und läßt mich allein,
verwunschen im Zauberwalde!«
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Die Hexen und andere Balladen. Waldhexe
Roter Mohn
Der Wald steht grün. Die Wiese ist mit Blüten
so reich besät wie dort das Aehrenfeld
mit rotem Mohn – dem vollen, lichtdurchglühten.
Es strotzt im Frühlingsschmuck die ganze Welt;
rings um mich her ein üppig Blühen, Prangen,
voll von Begehrlichkeit und Lichtverlangen.
Hoch steht das Gras, geneigt vom Windesfächeln.
Ganz still-verträumt seh ich den Halmen zu,
um meine Lippen spielt ein mattes Lächeln.
Der Wind küßt meine Stirn – warum nicht Du? ..
O du, o du, daß jetzt in dieser Stunde
dein Arm mich nicht umschlungen hält im Mohn,
daß heiße Küsse nicht von deinem Munde
auf meinen sehnsuchtsoffnen Lippen lohn! ...
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Seite 23
Sonnenuntergang
Abends wenn die Sonne untergeht,
sitz ich trauernd, träumend in Gedanken
an die Stunden, die in nichts versanken,
bis die alte Zeit mir aufersteht.
Schemenhaft naht mir vergangnes Glück,
meinen Kummer täuschend zu besiegen.
Mit der Dämmrung kommt es aufgestiegen,
nur mein Liebstes bringt es nicht zurück.
Ruhelos, verzweifelt irr ich dann
durch die Zimmerflucht beim Abendscheine.
Einen Tag wie alle Tag alleine -
Komm, o komm doch, heißgeliebter Mann!
Hilf der hoffnungslosen Liebe Not,
du, mein Gott, reiß ab die Lebensstunden,
heilt so leicht doch alle Herzenswunde
handauflegend der Erlöser Tod.
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Seite 68
Wenn der Jasmin ...
Wenn der Jasmin ……
Wenn der Jasmin vor meinem Fenster blüht,
wenn Stille herrscht, blutrot der Vollmond glüht,
dann kommt die Sehnsucht mit der Mitternacht,
wo alles schläft – nur mein Verlangen wacht,
es bläst mit Feueratem zu mir her
und fordert Liebe! … Liebe? Noch viel mehr!
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Die Nacht vergeht mit müdem, schweren Schritt.
O nähm sie mich ins ewge Dunkel mit!
Der Morgen naht in fahlem Nebelgrau,
einsam, verzweifelt lieg ich arme Frau
und späh mit heißen Blicken rings umher
nach Liebe – doch mein Pfühl bleibt liebeleer.
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Seite 75
Aus roter Leidenschaft
Du! Ich bin rot, ich bin dreimal rot,
und meine Liebe die glüht, die loht
wie der Fackeln flackerndes Feuer.
Die lockt und die winkt mit weißen Armen,
die kennt kein Erbarmen – – –
— — — — — —
Du! Ich bin rot,
doch süß ist der Tod
in meinen Armen ...
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Seite 1
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt …
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt,
liegt heut der weiße Winterschnee,
und du, du wandelst nicht mehr
zum Grottenplatz am Erlbuschsee.
Und jede Spur, sie ist verweht,
wo wir gelagert, Brust an Brust,
verweht das stille Veilchenbeet,
das manch Geheimnis mitgewußt.
Wer ruft nach mir? – Ein Seufzer glitt
aus meiner Brust im Sehnsuchtsweh …
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt,
liegt heut der weiße Winterschnee. - -
Else Galen-Gube
Elisabeth Galen-Gube, geborene Galen(1869-1922), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Else Galen-Gube
aus: „Aus dem Leben und den Träumen eines Weibes – Gedichte von Else Galen-Gube. Verlag von Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig, 1903. Seite 90
Herbst
Gelbe Vögel fliegen durch die Luft,
Wirbeln nieder zu der Erde Feuchte,
in bewegter, laubdurchstäubter Duft
Füllt der Bäume herbstliches Geleuchte.
Mit gelösten Fingern greift der Wind
Durch der Zweige flatterfrohe Saiten,
Weit, auf dunklen Rossen, pfeilgeschwind
Seh ich rote Wolkenfrauen reiten.
Vor des Herrschers Tigerfleckenheer
Nahen kühn des Nordens Nebelriesen,
Jauchzen dröhnt und Jubel schwingt umher.
Seine Fülle faßt nicht Wald noch Wiesen.
Singe, Herz, und töne hell hinein In des Königs reifestarkes Jagen, Wann der Stürme Fiedeln und Schalmein
Toll umsausen seinen Krönungswagen.
Letzte Rosen ihm am Gürtel blühn.
Golden greift die Krone nach den Sternen,
Dionysisch wallt im Purpurglühn
Sein Bacchantenzug in trunkne Fernen.
Maria Stona
Maria Stona, geborene Maria Scholz (1861 – 1944), Dichter, Schriftstellerin, Sallonieré. Pseudonyme: Maria Stonawski, Maria Stona
aus: „Flammen und Fluten – Neue Gedichte“ von Maria Srona. Verlag von Carl Reissner, Dresden, 1912. Seite 17