Mein Falke

O Sehnsucht, wilder Falke mein

Mein Falke

O Sehnsucht, wilder Falke mein,
Willst du auch müde werden?
Dess' Heimat hoch im Blauen war,
Behagt's dir nun auf Erden?

Wie oft hast du den jungen Sinn
Aus diesen grauen Tagen
Hoch über Sorge, Not und Leid
Getragen.

Bis mir das dunkle Tal entschwand
Im märchenweiter Ferne
Und um mein glühend Haupt sich bog
Das Diadem der Sterne.

Nun beugst auch du die stolze Stirn
Und läßt die Flügel hängen,
Nun hat auch dich die Sorgenfrau
Gefangen.

Brich deine Fesseln, Wanderfalk,
Und hebe dein Gefieder -
Siehst du die Sterne droben glühn,
Hörst du die süßen Lieder?

Es ist die Heimat, die uns ruft,
Sie lockt mit Lust und Wonne,
Steig auf mit hellem Jubelschrei
Zur Sonne!

Anna Ritter

Anna Ritter, geborene Nuhn (1865-1921), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

Bildnis:Anna Ritter (1865-1921)

Wolken

Wolken, ihr himmlischen

Wolken

Wolken, ihr himmlischen!
Laßt euch begrüßen,
Luftige Pilger! Ich sink' euch zu Füßen.
Wolklen, die ihr meine Kindheit umschwebtet,
Wonnige, schimmernde Träume belebtet,
Träume von goldenen, zaub'rischen Schlosse,
Und vom ätherisch geflügelten Rosse,
Träume von Seligkeit, Träume von Frieden,
Träume von Herrlichkeit, mir nicht beschieden.

Wolken, die einst mir im farbigen Bogen
Liebend die Brücke zum Himmel gezogen,
Seid ihr dieselben? - Ihr leuchtet noch immer
Herrlich und strahlend im purpurnen Schimmer.
Himmlische Brücke! Noch hast du den Bogen,
Wie vor Jahrtausenden, prächtig gezogen,
Aber dich durfte das Kind nur betreten -
Wolken! Ach laßt mich still weinen und beten.

Louise von Ploennies

Louise von Ploennies, geborene Leisler (1803-1872), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

An die Sterne

Ungetrübten Silbersterne

An die Sterne

Zu dem Schimmer,
Zu dem Flimmer
Jener wundervollen Sterne,
Muß ich blicken,
Muß ich schicken
Gruß und Seufzer in die Ferne! -
Aus dem Tale
Zu dem Strahle
Blick' ich still und klagend hin;
Denn in Sehnen,
Denn in Tränen
Hängt an euch mein ganzer Sinn!

O ihr klaren,
Ewig wahren,
Ungetrübten Silbersterne!
Eurer Winken,
Eurer Blinken
Gleicht der Liebe in der Ferne,
Strahlt wie Ahnung,
Strahlt wie Mahnung
An des Sternes Zaubernacht,
Dessen Schimmer
Nimmer, nimmer
Dieser Erbe mehr erwacht!

Louise von Ploennies

Louise von Ploennies, geborene Leisler (1803-1872), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

In der Sterne sanften Scheine

Und die Sehnsucht zieht mich leise

In der Sterne sanften Scheine

In der Sterne sanften Scheine
Weilet meine Seele gern,
Und die Sehnsucht zieht mich leise
Zu dem schönen, lichten Kreise,
Der mir schimmert, ach, so fern! -
In der Sterne sanftem Scheine
Weilet meine Seele gern.

Einst in einem bessern Leben
Wird mein Geist gleich Strahlen schweben,
Hochentzückt von Stern zu Stern.
In der Sterne sanften Scheine
Weilet meine Seele gern!

Louise von Ploennies

Louise von Ploennies, geborene Leisler (1803-1872), deutsche Schriftstellerin, Dichterin

Schneeglöckchen

Schneeglöckchen auf dem ersten Grün

Schneeglöckchen

Schneeglöckchen auf dem ersten Grün!
Dem Schnee der Unschuld hold entsprossen,
In das der Himmel, licht und rein,
Die jungen Strahlen hat ergossen.
Nicht Rosenpracht darf sich vermessen
Zu nahen ihm mit Duft und Glüh'n;
Schneeglöckchen auf dem ersten Grün,
Wir können's nimmermehr vergessen.

Angelika von Hörmann 

Angelika von Hörmann, geborene Emilie Geiger, verheiratet Emilie Hörmann von Hörbach (1843 – 1921), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonyme: Angellika von Gera

Wunsch

Als ich geschaut dir in die Seele

Wunsch

Als ich geschaut dir in die Seele,
Da zog mich mild Zaubernacht,
Und schüchtern, halb noch trauamumfangen,
Ist junge liebe leis' erwacht.

Laß mich in deinem dunklen Herzen
Als lichter Mond am Himmel steh'n,
All' deinen Wegen will ich leuchten
Und ewig nimmer untergeh'n.

Angelika von Hörmann 

Angelika von Hörmann, geborene Emilie Geiger, verheiratet Emilie Hörmann von Hörbach (1843 – 1921), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonyme: Angellika von Gera

Stille Liebe

Wenn du mir nahst und schaust mir stumm errötend

Stille Liebe

Wenn du mir nahst und schaust mir stumm errötend
Ins Angesicht,
Warum ich zitternd immer dir entfliehe,
Das frag' mich nicht.

Wenn alles schläft, in meinem kleinen Zimmer
Siehst du noch Licht,
Um was ich da so lang, so innig bete,
Das frag' mich nicht.

Der Schlummer naht und um die Seele spinnt sich
Ein süß Gesicht;
Warum ich morgens feuchten Blicks dich grüße,
O frag' mich nicht. 

Angelika von Hörmann 

Angelika von Hörmann, geborene Emilie Geiger, verheiratet Emilie Hörmann von Hörbach (1843 – 1921), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonyme: Angellika von Gera

Antwort

Weil wir mit einem frohen Lied

2. 
Antwort

Wir glückliches Poetenvolk!
Uns kann kein Leid zu tief durchdringen,
Weil wir mit einem frohen Lied
Die Tränen uns vom Auge singen.

Oft hab' ich schmerzlich sie gefühlt
Die Reben der Empfindungslosen,
Ich drückte mit den Dorn in's Herz
Und gab zur Rache - frische Rosen.

Angelika von Hörmann 

Angelika von Hörmann, geborene Emilie Geiger, verheiratet Emilie Hörmann von Hörbach (1843 – 1921), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonyme: Angellika von Gera

Angelika von Hörmann

Und aufwärts durch Gesträusch‘ und Stein

Hinauf!

An der Schenke im Tal geh' ich vorbei,
Da sitzen die lustigen Zecher;
Die Wirtin kommt, und nach der Reih'
Füllt sie die leeren Becher.

"Der Wein ist kühl, komm' junger Gast,
Sei mit uns froh und heiter."
Ich bleibe nicht, ich halte nicht Rast,
Mein Weg geht höher und weiter.

Wohl kühleren Trunk, gesund und klar,
Schöpf' ich aus dem Felsenfasse;
Wer je ihn gekostet, den lüftet fürwahr
Nicht mehr nach eurem Nasse.

Und aufwärts durch Gesträusch' und Stein
Bin ich noch lange gestiegen;
Im Thal wie Schneckenschalen klein,
Die weißen Häuser liegen.

Ich hab' mit Alpenkresse gepflückt,
Und Alpenwasser getrunken,
Und habe den Kopf in's Moos gedrückt,
In stilles Träumen versunken.

Angelika von Hörmann 

Angelika von Hörmann, geborene Emilie Geiger, verheiratet Emilie Hörmann von Hörbach (1843 – 1921), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonyme: Angellika von Gera

Am Teich

Ich kenne dich, du schwarzer Teich

Am Teich

Ich kenne dich, du schwarzer Teich,
Genau weiß ich den Tag,
Als eine Todte still und bleich
An deinem Rande lag;
Und als der Pöbel scheu und stumm
Sich langsam nahte dir
Und abergläubig, feig und dumm
Bekreuzte sich vor ihr;
Als eine Hand den schönen Leib
Mit Haken an sich riß -
Der rohe Hauf′ das todte Weib
Ein gottverdammtes hieß. -
Das starre Antlitz hold und bleich,
Schaut′ ich so manche Nacht,
In schwarzen Stunden, schwarzer Teich,
Hab′ oft ich dein gedacht.

Ada Christen

Christiana von Breden, geborene Friederik (1839 – 1901), österreichische Dichterin, Schriftstellerin. Bekannt auch als Ada Carla, Christine von Neupauer, Satanella