Frau Werner hieß das Tier

Mein Hund, den ich einmal an Oertners gab

Frau Werner hieß das Tier

Mein Hund, den ich einmal an Oertners gab,
Weil sie ihn überlieb gewonnen hatten,
Den mußten sie heute bestatten.
Betteten ihn in ein Hundegrab.

Eine Terrierhündin, die vierzehn Jahr
Alt wurde und Kriegskameradin mir war,
Ist sanft und rührend entschlafen.
Nun weinen die Oertners, die braven.

Mich tröstet traurig: So ging's, so geht's.
Hat Bug wie Heck seine Wellen. –
In meinem besten Erinnern wird stets
Etwas wedeln und etwas bellen.

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Bernhardiner

was ich sein möchte

Bernhardiner ist die Letzte, was ich sein möchte. Dauernd die Flasche am Hals und niemals trinken dürfen.

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Sommerblume

Eine Sonnenblume sah ich jüngst

Sommerblume

Eine Sonnenblume sah ich jüngst.
Grau der Himmel, grau die ganze Welt.
Und der überhöhe Blumenschaft,
Stolz und hoch ob nieder'm Grünzeug ragend,
Hatte eine, eine Riesenblume.
Doch die Riesenblüte, die noch jüngst
Sehnsuchttrunken nach der Sonne schaute,
Alle Blätter drängte sonnenwärts,
Zitternd, atmend, lebend nur im Licht,
Jene Riesenblüte neigt verdorrt,
Schwarz und starr und trauernd sich am

Stamm.

Promethidenloos zeigt mir dies Bild.
Alles Streben, alles höchste Ringen
Nach der Menschheit Sonne: Ruhm tind Liebe,
Alles Zittern, Kämpfen und Erglüh'n
In der Zeugungskraft des Genius,
Neigt verdorrend einst das Haupt, wie du,
Stille, grosse, schwarze Sonnenblume.

Hermine von Preuschen

Hermione von Preuschen (1854 – 1918), deutsche Malerin, Dichterin

Lorbeer

Dem allzu ungestümen Liebeswerbe

Lorbeer

Dem allzu ungestümen Liebeswerben
Entrang sich Daphne einst. An wildem Herzen
Verwandelt' sie sich jäh zum kühlen Lorbeer.

Dem allzu ungestümen Liebeswerben
Um Ruhm verwandelt jäh die Glückschimäre,
Das schöne, gleissend schöne, kalte Weib,
Noch heut', noch stündlich sich in spitzen Lorbeer;
Den drückt der Liebestolle an die Brust,
Den drückt die Welt ihm lächelnd auf das Haupt.
Da dringe?! ihm die spitzen, scharfen Blätter
In Herz und Hirn. So giebt der Mitwelt er,
Der Nachwelt, tropfenweis, sein ganzes Selbst,
Sein Herzblut, all' sein Leben, seine Seele.

Doch droben, üppig, schattenkühl und blühend,
Wölbt sich im Garten des Olymp der Hain
Scharf duftend spitzer, glatter Daphneblätter
Am Todesbaume allen Menschenglücks,
Der ewiggrüne Lorbeer!

Hermine von Preuschen

Hermione von Preuschen (1854 – 1918), deutsche Malerin, Dichterin

Lebenskranz

In schweren Träumen lag ich diese Nacht

Lebenskranz.

In schweren Träumen lag ich diese Nacht,
Nur an das Eine hab' ich stets gedacht,
Des Dichters Wort: >Hab' einst in Jugendtagen
Wohl auf dem Haupte einen Kranz getragen.<
Mir aber war's ich träge fort und fort
In meinen Haaren Blumen, lang' verdorrt.
Die wilden Blüten erster Jugendzeit
Zu Rosen formten sich, voll Herrlichkeit,
Die rot und röter flammend mich umfingen,
Bis sie entblättert in den Dornen hingen.
Doch bald entsprossten diesen, gross und weiss,
>Fior' di Passion<, leuchtend, fieberheiss.
Weh' mir, auch sie verwelkten. Spitz und stark
Nur noch die Dornen stechen mir in's Mark, -
So Jahr um Jahr. An letzter Ruhestatt
Entkeimt daraus vielleicht ein Lorberrblatt.

Hermine von Preuschen

Hermione von Preuschen (1854 – 1918), deutsche Malerin, Dichterin

Zwei Lose

Ein plumper Kasten ward getragen

Zwei Lose

Ein plumper Kasten ward getragen
durchs Marktgewühl voll Achtsamkeit.
"Zerbrechlich! Eine Harfe!" warnte
auf ihm die Aufschrift, sichtbar weit.

Ein zartes Mädchen trat zur Seite,
die Augen überflort von Pein.
"Ein Herz! Zerbrechlich!" schien geschrieben
in diesem Jammerblick zu sein . . .

Beschädigt wurde nicht die Harfe
in ihrer starken Bretter Hut.
Sie klingt, wie immer sie geklungen,
und klingt im lebensfrohen Mut.

Doch in des zarten Leibes Hülle
hat nicht gerettet sich das Herz:
gebrochen ward's im Marktgewühle -
nun klagt es nimmer seinen Schmerz!

Isabella Arkadjewna Grinewskaja 

Isabella Arkadjewna Grinewskaja (1864 – 1944), russische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonym: Berta Beyle Friedberg

Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.

Wenn ich dein Lachen höre

dann scheint es mir: auf Erden

Wenn ich dein Lachen höre

Wenn ich dein Lachen höre
und deiner Stimme Ton
und seh in deinem Auge
den holden Blick erlohn -

dann scheint es mir: auf Erden
gibt's mehr kein Herzeleid,
keine Scheiden, keinen Treubruch,
kein Bangen, keinen Neid.

Allein wenn deine Braue
sich furcht und heimlich bebt
und über deiner Stirne
ein düstrer Schatten schwebt -

dann scheint es mir: das Leben
ist voller Not und Pein,
das Leben, das uns malmet
wie Korn der Mühlenstein.

O schenke mir ein Lächeln,
o rede mir ein Wort
und scheuch aus meinem Herzen
die Furcht des Lebens fort!

O laß dein Auge strahlen
den alten holden Blick,
damit ich wieder glaube
an dieser Erde Glück!

Isabella Arkadjewna Grinewskaja 

Isabella Arkadjewna Grinewskaja (1864 – 1944), russische Dichterin, Schriftstellerin. Pseudonym: Berta Beyle Friedberg

Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.