Der Fuchs und die Gans

Es fing einmal ein Fuchs eine Gans

Der Fuchs und die Gans

Es fing einmal ein Fuchs eine Gans und wollte sie eben verzehren. Da hat sie, daß er ihr doch gestatten möchte vor ihrem Ende noch einmal zu tanzen. Der Fuchs dachte: „Das kann ich ihr wohl gewähren, sie soll mir nachher um so besser schmecken, wenn ich ihr dabei zugesehen habe.“

Als nun die Gans die Erlaubnis hatte, hob sie sich mit den Füßen mehrmals ein wenig vom Boden auf, machte dabei auch die Flügel auseinander und begann vor dem Fuchs recht artig zu tanzen, wie die Gänse thun bevor sie anfangen zu fliegen. Nachdem sie aber so eine Weile zum großen Vergnügen des Fuchses getanzt hatte, flog sie davon. Da hatte der Fuchs nichts als das Nachsehen und weil dies bei einem Gänsebraten, wie Du weißt, nicht viel sagen will, so sprach er: „Wie diesmal soll es mir gewiß nicht wieder ergehen; vor dem Essen ißt kein Tanzen wieder.“

Heinrich Pröhle

Heinrich Pröhle (1822 – 1895) deutscher Schriftsteller, Lehrer und Märchensammler

Heinrich Pröhle (1822 – 1895)

Landregen

Der Regen rauscht schon seit Tagen immerzu

Landregen

Der Regen rauscht.
Der Regen rauscht schon seit Tagen immerzu

Und Käferchen ertrinken
im Schlammrinn an den Wegen.- –
Der Wald hat Ruh,
gelabte Blätter blinken.

Im Regenrauschen schweigen
alle Vögel und zeigen
sich nicht.

Es rauscht und ewige Musik.

und dennoch sucht mein Blick
ein Streifchen helles Licht.
Fast schäm‘ ich mich, zu sagen:
Ich sehne mich nach etwas Staub.

Ich kann das schwere, kalte Laub
nicht länger mehr ertragen.

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

aus: „Gedichte, Gedichte von Einsmals und Heute“ Verlag: Ernst Rowohlt,, Berlin, 1934.

Der Gedichtsband enthält 101 Gedichte. Davon sind 38 Gedichte Erstveröffentlichungen.

Der Band erschien 1934 nach seinem Tod.

Was ist das Leben?

das Aufleuchten eines Glühwurms

Was ist das Leben?

Es ist das Aufleuchten eines Glühwurms in der Nacht.
Es ist der Atem eines Büffels im Winter.
Es ist der kleine Schatten, der übers Gras huscht und im Sonnenuntergang verliert.

Isapo Muxika

Es sollen die letzten Worte, 25. April 1890 von Isapo Muxika gewesen sein. Er ist auch unter den englischen Namen Crowfoot bekannt. 1830 – 1890, Stammeshäuptling der Sisksika.

Im Glück

Und ich des Weges wandre unbekümmert

Im Glück

Gelassen reicht der tage goldnes Maß. Mir still das Schicksal dar mit gütigen Händen.

Beglückter schäß‘ ich, was ich längst besaß. Und tiefer bang ich: Möcht‘ es nie sich werden!

Wer weiß, der Friede noch mich rings umwaltet. Und ich des Weges wandre unbekümmert.

Im welcher Wolkentiefe sich gestaltet. Der Wetterstrahl, der meine Welt zertrümmert.

Anna Klie

Gedicht über Liebe und Glück von Anna Klie (1885 -1913), deutsche Kinder- Jugendbuchautorin, Schriftstellerin, Dichterin, Lyrikerin

aus ‚Gedichte‘ 1895, im Verlag Georg Wigand, Leipzig

Eine Blume

Auf leisen Sohlen wandeln die Schönheit

Eine Blume

Eine Blume, die sich erschließt, macht keinen Lärm.
Auf leisen Sohlen wandeln die Schönheit, das wahre Glück und das echte Heldentum.
Unbemerkt kommt alles, was Dauer haben wird in dieser wechselnden, lärmvollen Welt voll falschen Heldentums,
falschem Glücks und unechter Schönheit.

Wilhelm Raabe

Wilhelm Karl Raabe (1831 – 1910), deutscher Schriftsteller, Erzähler. Pseudonym: Jakob Corvinus

Es sang eine Nachtigall

weil sie dasselbe Jauchsen sang

Am Sachsenplatz: Es sang die Nachtigall

Es sang eine Nacht …
Ja, eine Nachtigall am Sachsenplatz.
Heute morgen,- Hast du in Berlin
das je gehört? – Sie sang, so schien
es mir, für mich, für Ringelnatz.

Und gab mir doch Verlegenheit,
weil sie dasselbe Jauchsen sang,
das allen Dichtern früherer Zeit
durchs Herz in ihre Verse klang.
In schöne Verse!

Nachtigalle
besuche bitte ab und zu
den Sachsenplatz:
dort wohne ich. – Ich weiß, dass du
nicht Verse suchst von Ringelnatz.

Und hatten doch die Schwärme recht,
die dich besange, gut und schlecht.

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Sommernacht

Mit ausgespannten Armen kommt leis die Nacht

Sommernacht

Mit ausgespannten Armen kommt leis‘ die Nacht. Drückt Feld und Wald und Fluren ans Herze sacht. Schläge ihren weichen Mantel um Strauch und Baum, und summt mit Glockentönen die Welt in Traum. Vergessen hat die Erde des Tages Weh, ich hebe meine Augen hinauf zu Höh‘. Ein Vöglein seh‘ ich tauchen ins Abensgold, ach, wenn’s auch meine Seele mitnehmen wollt‘!

Johanna Ambrosius

Johanna Ambrosius (1834 – 1939), deutsche Volks-, Heimat- und Naturdichterin

Was machen Sie

ich lasse das Leben auf mich regnen.

Was machen Sie?

Nichts.

Ich lasse das Leben auf mich regnen.

Rahel Varnhagen

Rahel Varnhagen, Rahel Varnhagen von Ense, 1771 – 1838, deutsche Schriftstellerin

Zitat aus:

Rahel Varnhagen, Tagebücher, 11. März 1810. ‚Aus Rahel’S Herzensleben‘. Briefe und Tagebuchblätter. Mit einem Bildnis von Rahel Varnhagen. Herausgegeben von Ludmilla Assing. Verlag Leipzig Brockhaus 1877

Nichts ist von Dauer

nur die Veränderung

Nichts ist von Dauer

Die meisten Menschen sind unzufrieden, weil sie wenigsten wissen, dass der Abstand zwischen Eins und Nichts größter ist als der zwischen Eins und Tausend.

Nichts ist von Dauer, nur die Veränderung.

Ludwig Börne

Ludwig Börne (1786 – 1827), deutscher Journalist, Literatur- und Theaterkritiker, Schriftsteller und Publizist.