Märztag

Wolkenschatten fliegen über Felder

Märztag

Wolkenschatten fliegen über Felder, Blau umdunstet stehen ferne Wälder.

Kraniche, die hoch die Luft durchpflügen, kommen schreiend an in Wanderzügen.

Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen, überall ein erstes Frühlingslärmen

Lustig flattern, Mädchen deine Bänder, kurzes Glück schwamm mit den Wolkenmassen, wollt‘ es halten, mußt‘ es schwimmen lassen.

Detlev von Liliencron

Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron (1844 – 1909), deutscher Lyriker, Prosa- und Bühnenautor

Gedicht aus dem Gedichtband: ‚Bunte Beute‘. 1903, Verleger Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig

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Die Gelegenheit

Er zog die Stiefel an

Die Gelegenheit

Vordem kam die Gelegenheit,
Ehr und Reichtum zu erlangen,
zu einem Mann aufs Land gegangen.
„Hans“, rief sie, „komm, geh mit!“
Hans sprach: „Um welche Zeit?“
„Gleich, gleich den Augenblick.“
„So hurtig und wohin?“
„Komm mit, du wirst’s schon sehn.“
„Je nun, so warte doch
zum wenigsten so lange noch
mit der mir zugedachten Gabe,
bis ich mir, weil ich barfuß bin,
die Stiefel angezogen habe.“
Der Bauer dachte nicht, daß die Gelegenheit
in einer oft noch kürzern Zeit
sich einem aus den Händen schwinge,
und oft gar schnell verlorenginge.
Er zog die Stiefel an und rief nach seinem Weibe,
das noch im Bette lag. „Hör“, sprach er,
„lieber Schatz,
räum alle Kasten aus und mach indessen Platz,
damit ich, wenn ich ja bis mittags außenbliebe,
bei meiner Wiederkunft als ein beglückter Mann,
das mitgebrachte Geld darin versperren kann.“
Er lief und öffnete sein Haus im Verlangen;
doch als er vor der Türe kam,
war die Gelegenheit, zu seinem großen Gram,
schon weg und wieder fortgegangen.
Er lief, jedoch umsonst, sein Weib kam auch herbei
und unterstützte sein Geschrei.
Sie liefen hinters Haus, durchsuchten Stall und Scheune,
besahen auch sogar die Herberge der Schweine,
ob die Gelegenheit sich etwa hier versteckt;
jedoch mit aller Mühe ward nirgends nichts entdeckt. –
Der Bauer setzte sich vor seiner Türe nieder
und schwor hinkünftig hurtiger zu sein.
Allein was half ihm dies? Sein Hoffen traf nicht ein,
denn die Gelegenheit kam niemals wieder.

Daniel Stoppe

Daniel Stoppe (1697 – 1747) deutscher Schullehrer, schlesischer Dichter

Gedicht aus: Neue Fabeln oder moralische Gedichte: der Jugend zu einem nützlichen Zeitvertreib; Breßlau, Verlger und Druck Johann Jacob Korn, 1740, Zweiter Teil

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in Mode kleiden

Der Frost malt malt

Warum in Mode kleiden

Warum sollen wir uns alle nach der selben Mode kleiden?

Der Frost malt nie dieselben Eisblumen zweimal an mein Fenster.

Lydia Maria Child

Lydia Maria Child (1820 – 1880) US-amerikanische Schriftstellerin, Frauenrechtlerin, Abolitionistin.

Stadt

Zehntausend starre Blöcke sind im Tal errichtet

Stadt

Zehntausend starre Blöcke sind im Tal errichtert aus: Stein auf Stein um Holz- und Eisenroste hochgeschichtet; und Block an Block zu einem Berg gedrückt, von Dampfrohr, Turm und Bahn gedrückt, von Draht, der Netze an Netze spinnt. Der Berg, von vielen Furchen tief durchwühlt: Das ist das große Labyrinth, dadruch das Schicksal Mensch an Mensch spricht.

Fünfhunderttausend rollt im Kreis das große Reiben durch alle rinnen fort und fort ein ungeheuerem Streben: In Kaufhaus, Werkstatt, Saal und Bahnhofshalle, in Schule, Park, am Promenadenwalle, im Fahrstuhlschacht, im Bau am Krahn, Treppauf und ab, durch Straßen über Plätze, auf Wagen, Rad und Straßenbahn, da schäumt des Menschenstrudel wirre Hitze.

Fünfhunderttausend Menschen rollt das große Leben durch alle Rinnen fort und fort in ungeheuren Streben. Und karrt der Tod aus Hundert täglich fort, es braust der Lärm wirr sonst an jedem Ort. Schleppt er vom Hammer-Block den Schmied, schleppt er vom Kurven-Gleis des Wagenleiters: Noch stärker brüllt das Straßenlied: Der Wagen fährt – der Hammer drohnt weiter.

Geritt Engelke

Geritt Engelke (1890 – 1918), deutscher Dichter und Schriftsteller.

An die Tulpe

Du erfreust , sie sagt’s, die Augen

An die Tulpe

Andre mögen andre loben,
mir behagt dein reich Gewand;
durch fein eigen Lied erhoben
pflückt dich eines Dichters Hand.
In des Regenbogens sieben
Farben warst du eingeweiht,
und wir sehen was wir lieben
an dir zu derselben Zeit.

Als mit ihrem Zauberstabe Flora dich entstehen ließ, einte sie des Duftes Bließ; doch die Blumen all‘, die frohen, standen nun voll Kummer da, als die Erde deinen hohen Doppelzauber werden sah.

Göttin! O zerstör‘ uns wieder, denn wer blickt uns nur noch an? Sprach die Rose, sprach der Flieder, sprach der niedre thymian. Flora kam, um auszusaugen deinen Blättern ihren Duft: Du erfreust, sie sagt’s, die Augen. Sie erfreun die trunkne Luft.

August von Platen-Halbermunde

August von Platen-Habermünde(1796 – 1835), deutscher Dichter

Olympiahymne

Zu dem ‚Wettbewerb für Olympische Spiele 1935‘ reichte Joachim Ringelnatz unter den Namen Erwin Christian Stolze folgendes ein

Die Olympiahymne

Jauchzen steigt die Olympiade,
Olympiade unser Zeit!
Alles wartet der Parade.
Chöre harren klangbreit.

In Begeisterung sich heben
Muß beim Anmarsch solcher Macht
Rechts und links das Volk – es beben
Ihre Herzen weiterwacht.

Nur mit Geist kann Leib gedeihen.
Geist erstarkt an Mut und Kraft.
Einen beide sich, dann weihen
Leben sie, das Leben schafft.

Nicht der Zorn soll Muskeln schwellen,
Aber jugendheißes Spiel.
Tretet an, ihr Kampfgesellen!
Zieht mit Gott zum edlen Ziel!

Joachim Ringelnatz

Hans Bötticher (1883 – 1934), deutscher Dichter, Schriftsteller, Maler. Pinko Meyer, Fritz Dörry und Gustav Hester, Gustav Dörrig, Fritz Bötticher

Es ist ein memoriam an Joachim Ringelnatz.

Verlag: Ernst Rowohlt Verlag Berlin 1936. Mit 1 Portät und 20 Tafeln. 196 Seiten. Herausgegeben von Hans Siemensen und Muschelkalk Ringelnatz (Leonarda Gescher).