Dämmerung Dämmerung mit den milde, grauen Augen Schreitet über die Erde. Kühl weht ihr Atem, Weich und kühl, Milde wie ruhiger Atemzug Eines schlummergeküßten, Backenroten Kindes. An laufender Ferne ruhendem Rund Ein goldenes Glänzen, matt verscheidend, Zerrinnend in zarten, grauen Duft ... Ob Ruhe! Ruhe! Gabe der Seligkeit, Die du auf Flügeln der Dämmerung linde Vom Himmel niederschwebst, gelinde Das Herz mit warmem Hauche, Sorgenscheuchend, rührst; Ob Ruhe, Frieden, Fülle des Seins! Heut aus grauen Dämmeraugen Blickst du mich liebreich an und verbeißend, Und mein Dank schwillt auf im Herzen, Wie im Auge der seligen Braut Warme, lachende Tränenflut - Aber mein Herz muß an verklungene Tage höheren Glückes denken, Du ihm friedevolle Liebe Gütig fromm entgegenleuchtete Aus zwei braunen Mädchenaugen, Sonnen der Liebe. Otto Julius Bierbaum
Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910), deutscher Schriftsteller, Dichtre, Journalist, Redakteur. Pseudonym: Martin Möbius.
aus: „Irrgarten in der Liebe. Verliebte – launenhafte und moralische Lieder, Gedichte und Sprüche aus den Jahren 1885 – 1900“ von Otto Julius Bierbaum. Mit Leisten und Stuecken geschueckt von Heinrich Voegler (1872 – 1942). Verlag: Insel-Verlag, Leipzig, 1901. Gedichte. Landschaften und Stimmungen. Seite 106 – 107