Kom Liebste Kom Liebste, laß uns Rosen brechen, Weil sie noch voll und farbig sind! Laß andre, was sie wollen, sprechen. Die Flucht schleicht sich den Jahren ein. Wir müssen unverwendet schauen, wie uns dis alles folgen muß. Die Jugend trägt sich durch die Auen geschwind mit unvermerckten Fuß. Das Haar, der Mund und diese Wangen Vergehen oft in kurzer Zeit. Der Augenlichter goldne Spangen Sein für dem Tode nicht befreyt. Die ädle Schönheit der Geberden Die meiner Liebe Mutter ist. Kann durch den Wind verwehet werden. Komm, Liebste, weil du jung noch bist! Wer sucht den Maien unser Tage, Ist er bereit einmal vorbei? Häuft sich des Windes Leid und Plage, So sind wir aller liebe frey. Wie sich ein Regenstrom behende von Bergen in die Thäler geust: So reissen wir uns selbst zum Ende Das uns itzund schon eylen heist. Sind wir in dürren Sand geleget So werden wir und bleiben bleich. Ein Stock der keine Zweige träget Ist keiner frischen Myrte gleicht. Drum laß uns lieben, wie es gehet, Eh noch der Abendstern anbricht. Wer in der Liebe nichts verstehet, Der braucht der edlen Jugend nicht. David Schirmer
David Schirmer (1623 – 1688), deutscher Dichter, Bibliothekar. Pseudonyme: Der Bestimmende, DiSander
aus: „Poetische Rosen-Gepüsche“ Von Ihm selbsten aufs fleißigste übersehen / mit einem gantz neuen Buche vermehret und in allem verbesserter heraus gegeben, Dresden. In Verlegung Andreas Löfflers Buchführers. Geduckt bey Melchor Bergen 1667. Seite 4 – 6)