Das ruhelose Thal Einst lächelte ein friedliches Thal, Aus welchem die Leute allzumal Gezogen waren in stürmische Fernen, Nachdem sie zu den gütigen Sternen Gefleht, von ihren azurnen Thürmen Die Blumen im Thal zu pflegen, zu schirmen, In deren Mitte den ganzen Tag Das rothe Sonnenlicht träge lag. Jetzt raschelt es durch den seltsamen Ort Ruhlos, rastlos in einem fort. Alles zittert und schauert, blos Die Lüfte sind ganz bewegungslos. Ach, von keinem Winde geschaukelt, Nicht vom leisesten Zephyr umgaukelt, Zucken die Bäume gleich den Fjorden Im umnebelten felsigen Norden. Ach, von keinem Winde getrieben, Jagen die Wolken und zerstieben Ueber den Veilchen, die dort liegen, Ueber den Lilien, die sich dort wiegen, Die sich wiegen und neigen und schauern, Ueber mystischen Gräbern trauern. Sie schauern: ihre duftenden Seelen Zittern in immer währendem Leide. Sie weinen: auf ihrem weißen Kleide Schimmern die Thränen wie Juwelen. Edgar Allan Poe
Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter
aus: „Ausgewählte Gedicht“ von edgar Allan Poe. Übersetzt aus dem englischen ins deutsche von Hedwig Lachmann (1865 – 1918). Verlag: Verlag des Bibliographischen Bureaus, Berlin. Seite 60 – 61
Hedwig Lachmann (1865 – 1865)