Die Nacht Am Himmel ist gar dunkle Nacht; Die müden Augen zugemacht Hat längst ein jedes Menschenkind; Es wacht nur noch der rauhe Wind. Der jaget sonder Rast und Ruh Die Fensterläden auf und zu, Die Wetterfahne hin und her, Daß sie muß ächzen und stöhnen schwer. Doch sieh! aus jenem Fenster bricht In's Dunkel noch ein mattes Licht. Wer ist's wohl, der in tiefer Nacht. Bei seiner Lampe einsam wacht Ich schleiche dicht an's Fensterlein, Schau' durch die runde Scheib' hinein, Und einen Jüngling zart und schön Seh' ich an einem Bette stehn. Und wie ich nach dem Bette schau', Da schlummert eine kranke Frau. Er bückt sich über's Bett hinein, Es muß des Knaben Mutter sein. Vom Bette läßt er nicht den Blick, Er streicht das braune Haar zurück, Sacht' hält er ihr das Ohr zum Mund, Ob sie noch athme zu dieser Stund. Friedrich Theodor Vicher
Friedrich Theodor Vicher (1807 – 1887), deutscher Philosoph, Dichter, Schriftsteller
aus: „Lyrische Gänge“ von Friedrich Theodor Vicher. Verlag: Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1882. Faust’sche Stimmen, Seite 14 – 15