Das Kätzlein Zog der junge Wladislaw, zu jagen, Einst von seiner hohen Burg herunter. Wie er durch ein Dörflein kam gegangen, Kam ein weißes Kätzlein, das die Hunde Aufgescheucht, an ihm vorbeigesprungen. Und er mochte nicht mehr jagen gehen, Sondern mußte immer, immer horchen, Wie es sprach in seinem lieben Herzen- Daß ich doch dein kleines Kätzlein wäre, Das an deinem Bette jeden Morgen Bettelnd steht und lang nach deinen Augen, Nach den zugeschlossenen lieben Augen, Harrend blinzt, bis du sie aufgeschlagen. Wie das kleine Kätzlein das ersiehet, Schnurrt und spinnt es und die weichen Seiten Drückt es schmeichelnd an des Bettes Pfosten. Und du sagst dem Kätzlein guten Morgen Und du streckst die runden weißen Arme Aus dem Bett und nimmst die kleine Katze, Legst sie neben dich auf's linde Kissen, Streichelst ihr die Stirne und den Rücken. Und das Kätzlein auf dem linden Kissen Liegt bei deinen weißen, warmen Brüsten, Die in sanftem Athemzug sich heben Und sich senken, wie zwei reine Lilien Auf des Flusses grüner Welle schwebend Bald sich tauchen unter sanfte Wogen, Bald erscheinen mit den süßen Kelchen. Und das Kätzlein auf dem linden Kissen, Und das Kätzlein, das du schwatzend streichelst, Und das Kätzlein an den weißen Brüsten, Die gleich Wasserlilien ruhig wogen, Schnurrt und spinnt und drücket zu die Augen; Daß ich doch dein kleines Kätzlein wäre! Friedrich Theodor Vicher
Friedrich Theodor Vicher (1807 – 1887), deutscher Philosoph, Dichter, Schriftsteller
aus: „Lyrische Gänge“ von Friedrich Theodor Vicher. Verlag: Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1882. Faust’sche Stimmen, Seite 16 – 17