Ode an Gott O du im Umfang unendlich, In lebenden Wesen lebendig, Und Ewig im Laufe der Zeiten, Gestaltlos in drenen Gestalten Der Gottheit, Allgegenwart, Einzig, Ein Geist ohne Raum, ohne Ursprung, Von Sterbllichen nimmer ergründet, Der durch sich und mit sich erfüllet, Umfasset, erschaffet, bewahret, Die Welten - wir nenn ihn - Gott! Ja könnten auch Sand oder Strahlen Der tausend Planeten wir zählen, Die Tiefen des Oceans messen, Für dich weder Maas weder Zahl! Es mögen erleuchtete Geister, Von deinem Abglanze geboren, Nicht deine Gerichte erforschen, Sie heben sich kühn und zerstäuben In deiner gewaltigen Größe, Wie sich die Minuten verlieren In einer Ewigkeit Meere. Du riefst aus bodenloser Tiefe Das ewige Chaos herauf, hast vor der Zeiten Geburt In dir das Ew'ge gegründet; Du bist und glänzest durch dich! Aus dir, du Quelle des Lichtes, Ist Licht hernieder geflossen, Ein Wort hat Alles belebet, Erschaffen - du warst, du bist, Du wirst sein ewig und ewig! Du fassest die Kette der Wesen, Du schenkest ihr Leben, Erhaltung, DU, der du Anfang und Ende, Den Tod mit dem Leben verbindest. Wie sprühende Funken schnell eilen, So gibst du den Sonnen ihr Dasein; Am heitern Tage des Winters, Wie Stäubchen des Reifes dann blinken, Sich drehen und wimmeln und glänzen, So siehst du die Sterne im Abgrund. Millionen brennende Lichter, Im leere Raume schwimmend, Befolgen die ew'gen Gesetze, Ergießen lebendige Strahlen; Doch diese feurigen Lampgen, Die Menge der roten Ernstallen Die goldenen kochenden Wellen, Die ewig brennenden Sternen, Und alle die leuchtenden Welten, Sind dir wie Nacht vor dem Tage. Und hundertfältig gehäufet, Sie sind gegen dich nur ein Punkt, Und ich vor dir - ein Nichts. Ein Nichts - doch bin ich dein Abglanz, Es schimmert in mir deine Güte, Ich trage dein Bild wie ein Tropfen Des Wassers das Bildnis der Sonne. Ein Nichts - doch fühl' ich mein Leben, Ich fliege mit rastloser Gierde, Noch höher und höher stets schwebend, Es glaubt meine Seele: du bist, Sie denket, begreifet, erwäget, Ich bin - du bist ohne Zweifel! Du bist - so sagt die Natur, Du bist - so fühlet mein Herz, Du bist - ruft mein Verstand, Du bist - drum bin ich kein Nichts! Auch ich bin ein Teilchen des Weltalls Bin, wähne ich, in der Natur. Ehrwürdige Mitte gestället, hier an der Körperwelt Ende, Am Anfang der himmlischen Geister, Ich binde die Kette der Wesen. Ja, ich das Band dieser Kette, Die äußerste Stufe der Wesen, Bin in der Lebenden Mitte Ein Anfangsbuchstange der Gottheit! Mein Körper verweset zu Staube, Mein Geist herrscht über die Donner, Ich bin ein König - ein Knecht - Ich bin ein Wurm - ein Gott! Verborgen ist mir mein Ursprung, Doch ward ich nicht aus mir selbst. Nein, Schöpfer, ich bin dein Geschöpf, Bin ein Geschöpf deiner Weisheit, Du Lebensquell, Geber des Guten, Du meiner Seele Geist und Herr! Deiner Allmacht schien es notwendig, Daß mein unsterbliches Wesen Des Todes Abgrund durchwandre, Mein Geist sich in Sterblichkeit kleide, Und, Vater! im Dunkel des Stabes, Unsterblich sich wiederfinde. Unbegreiflicher! Unergründlicher! Warum ist die Seele zu schwach, Von deinem erhabenen Bilde Auch nur den Schatten zu zeichnen; Doch ist es den schwachen Geschöpfen Dich, Gott, zu preisen vergönnet, Wie können sie besser dich ehren, Als sich erhebend zu dir, Im Unermeßlichen sich verlierend, Dankbare Tränen vergießen! G. R. Deržavin
Gavriil Romanovič Deržavin (1743 – 1816), russischer Dichter, Autor, Staatsmann, Schriftsteller. Bekannt für seine lange Oden
Leider sind die russischen Webseiten zur Zeit kaum zu erreichen und sehr unsicher. Sobald sich die Lage nicht ändert, kann ich nicht das Original auf russisch auf meine Webseite zeigen.
aus: „Gedichte des Herrn Staatsraths von Dershawin“ aus dem Russischen übersetzt von August von Kotzebue. Verlag: Leipzig, Paul Gotthelf Kummer, 1793. Seite 74 – 79
August von Kotzebue (1761 – 1819)
Gemälde: Gavriil Romanovič Deržavin (1743 – 1816)
Frieden und Freiheit. Schießt mit Blumen und Liebe.