Gedanken an die Zeit Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit; so wißt, ihr Menschen, nicht von und in was ihr seid. Dies wißt ihr, daß ihr seid in einer Zeit geboren und dass ihr werdet auch in einer Zeit verloren. Was aber war die Zeit, die euch in sich gebracht? Und was wird diese sein, die euch zu nichts mehr macht? Die Zeit ist was und nichts, der Mensch in gleichem Falle, doch was dasselbe was und nichts sei, zweifeln alle. Die Zeit, die stirbt in sich und zeugt sich auch aus sich. Dies kömmt aus mir und dir, von dem du bist und ich. Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen, doch aber muss der Mensch, wenn sie noch bleibet, weichen. Die Zeit ist, was ihr seid, und ihr seid, was die Zeit, nur daß ihr weniger noch, als was die Zeit ist, seid. Ach daß doch jene Zeit, die ohne Zeit ist, käme und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme, und aus uns selbsten uns, daß wir gleich könnten sein, wie der jetzt jener Zeit, die keine Zeit geht ein! Paul Flemming
Paul Flemming (1609 – 1640), deutscher Schriftsteller, Dichter, Arzt
Deutsche Gedichte. Herausgegeben von J. M. Lappenberg, Stuttart. Gedruckt auf Kosten des Litterarischen Vereins 1865