An den Mond Kaum öffnet die Nacht ihre Hallen; Purpurn weilt noch Der Abschied des Abends an ihrer Schwelle; Die Nachtigall Beginnt ihr Lied noch nicht Und das Käuzlein lauschet in seiner Höhle. Was siehest du so verwundernd In mein ödes Zimmer? - Überschaue die Wege Deiner glänzenden Gefährten Und staune! - Siehe! der hohe Sirius Ist kaum am Hügel erwacht, Und der Stern der Liebe Glänzt noch in junger Schöne. - Der Adler beschließt erst seinen Strahlenflug, Und du wandelst die ersten Schritte Auf der nächtlichen Bahn. Dennoch – o Artemis, Findest du mein Zimmer einsam! - Er – o verbergt euch, ihr Sterne! Und du Leuchtende! - Er – der die Morgenröte schalt, Wenn sie unsren Küssen lauschte In der nächtlichen Laube; - Der noch wachte in glühender Liebe, Wenn ihr eure Kammern schlosset: - Er schläft schon! - Er schläft - Und die Nacht ringt noch Mit der Dämmerung Um euren Schleier. Er schläft - Und die Stille herrschet noch nicht. Losgewunden Vom Kummer der Liebe Und ihrem belebenden Entzücken Umschweben ihn Träume des Friedens Und der stillen Ruhe, Die so gern Die Herzen der Unempfindlichen beglückt. - Er schläft Und denkt meiner nicht mehr In seinen süßen Träumen. Ach, meine Tränen Stören seine Ruhe nicht. - Mond! und ihr prangenden Sterne! Geht in eure Kammern Auf ewig. Nacht! tritt auf immer Aus deiner schwarzen Halle Und du, Morgenröte! Lausche nie wieder Den Küssen der Liebe. Er schläft - Und meine Tränen Stören seine Ruhe nicht. Sophie Albrecht
Johanna Sophie Dorothea Albrecht (1757 – 1840), deutsche Dichterin, Schriftstellerin, Schauspielerin
aus: „Gecichte und Schauspiel – Theil 1“ von Sophie Albrecht. Verlag: Albrecht, Erfurt, 1781. Seite: 18 – 20