Das Nachthorn (übersetzt aus dem Mittelhochdeutschem ins Deutsche) 1. Wünsch mir, allerliebste Freundin, eine angenehme, unbeschwerte Nacht. Wenn mein Herz an deine treue Liebe denkt, erfüllt mich das mit großer Freude und lässt mich durchhalten in dieser Zeit, in der ich unglücklich und einsam fern von dir bin und niemand mich zu trösten vermag außer du. Die Sehnsucht lässt mich nicht schlafen, da ich nachts sehr viel an dich denke. Süße Träume wecken meine Begierde, so dass ich mir wünsche, ich hätte das Glück, sorglos eine Liebesnacht ohne Ende verbringen zu können. 2. Meine Sehnsucht lässt dich nicht los. Deshalb wünsche ich mir oft, auch du würdest von mir träumen, davon, dass ich ganz unbeschwert bei dir wäre, so, wie du es magst, ans Herz gedrückt und immer wieder von deinen weißen Armen zärtlich umarmt, und lass du, Liebste, im Schlaf deine herzallerliebsten Brüste streicheln würdest, wie ich es mir wünsche und so, als ob ich selbst da wäre. Auf diese Weise würde ich gern erwachen, und mein Herz wäre sofort vergnügt. 3. Oft bin ich soweit, dass ich geradewegs glaube, dich zu sehen, liebste Freundin, als ob du leibhaftig in deiner ganzen Schönheit vor mir stehen würdest, so dass ich meine, es sei wirklich so, und außer mir vor Freude bin. Sobald deine Gestalt sich jedoch verflüchtigt, bereitet das meinem armen Herzen bitteren Schmerz. Je unglücklicher ich bin, desto mehr muss ich an die schönste Zeit mit dir denken. Denn die Sehnsucht nach dir hält mich gefangen, bis du mich aus meiner Einsamkeit erlöst. Mönch von Salzburg
Johannes von Salzburg (2, Hälfte des 14. Jahrhunderts), Liederdichter, Komponist des Spätmittelalters
Originaltext in Mittelhochdeutsch: Das Nachthorn 1. Zart libste frau in liber acht, wünsch mir ain liblich, frölich nacht, wann so mein hercz dein treü betracht, das freüet all mein kraft und macht auf stäten syn, so ich nu pin dahin, ellend und ain, und nymand main zu trösten mich wenn dich. mit senen ich den slaf bekrenk, daz ich dy nacht gar vil an dich gedenk; süzz trëum dy machent mich so gail, daz ich mir wünsch das hail, daz ich slaffen solt an straffen in sölcher liber sach an end. 2. Dich lät nicht ain meins herczen gir, dar umb so wünsch ich me wenn zwit, daz dir sol traumen auch von mir, wy ich gar frölich sey bey dir und doch in gut nach deinem munt behut, und daz du, mynnikliche dirn, in süzzen slaf dy herczen libsten pirn umbvingest nach dem willen mein, als ich da selb solt sein: in den sachen sold entwachen, mein hercz, sold frölich sein behend. 3. Enczuket wird ich oft so hart, daz ich wën an der selben vart, ich seh dich, libstez frëulin zart, vor mir gepildet schon von art gar weiblich stan, daz ich denn han den wan, ym sey also, und pin gar fro in herczen grund: zu stund, so mir entwischet dein figur, das wirdt dem armen herczen vil ze sur, ez mant mich an dy libsten zeit, y herter ez ym leit; wann dein belangen hat gevangen mich, bis du tröstest mein ellend.