Täubelei Ich schaute dir ins's Auge schnell, Du blicktest gar zu mild, Und lieblich sah ich, klar und hell, Darin mein eig'nes Bild. In eine wunderbare Flut Von Farben war's getaucht, Von Licht und Glanz die Zauberglut Darüber hingehaucht. Da wurde dir das Auge freucht, Und perlenklar und rein, Trat eine Träne, schnell erzeugt, Licht in das Licht hinein. Mein Bild, als wär's mit Flut und Wind, Es kämpfte frei und krank Mit deiner Träne, bis es lind In ihrem Schoß versank. So dir im Auge, wundersam Sah ich mich selbst entsteh'n, Und, als die stille Träne kam, Noch schöner mich vergeh'n. Friedrich Hebbel
Christian Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dichter, Dramatiker, Lyriker
aus: „Friedrich Hebel – Sämtliche Werke“ Historisch-kritische Ausgabe, besorgt von Richard Maria Werner. Verlag: B. Behr’s Verlag, Steglitzerstr. 4, Berlin. Sechster Band. . Posthum 1901. Vermischte Gedichte, Seite: 214