Das schlafende Kind. Wie reizend schlummert da der Engel! Ein Aermchen dort, das andre hier, Scheints nicht, als wär' es ohne Mängel Und ohne irdische Begier? Kein Sorgenzug in seinen Mienen! Wem dünkt es nicht, es müssen ihm Die Unschuld und der Friede dienen? Wo lauschet hier ein Ungestüm? Die Seele schwebt im Stirnenlichte, Schon, wie des Himmels Heiterkeit, Und um das rosige Gesichte Sind goldne Locken hergestreut. Die holden Augen, die im Wachen Mit ihrem Schimmer mich erfreun, Man sieht sie noch im Schlafe lachen; Wie könnten die doch schädlich seyn? Wie reizend sind die zarten Glieder? Ihr kleinstes Regen hat den Ton Der geistesvollen Herzenslieder; Ein Fingerchen bezaubert schon. Jetzt wird's erwachen, wird nicht wissen, Warum so lieblich es erwacht, Warum ich's hundertmal muß küssen, Warum es schön ist ohne Pracht? Es wird an meinen Busen glühen, Und eher noch, als seinen Thee, Den Kuß der Mutter in sich ziehen, Süß, wie den Bienen junger Klee. Doch Stürme ruhen in dem Herzen, Das jetzt noch keine Wünsche kennt, Begierden schlummern noch und Schmerzen, Worin oft eine Hölle brennt! — O bliebe doch der Mutter Liebe Dir stets, was heute sie dir ist! Nicht Eine Wolke scheint dir trübe, Wenn du in meinen Armen bist. O möchte nie dein Herz dir lachen, Beim Anschaun aller Erdenpracht! Dir keine Leidenschaft erwachen, Die dich nicht ewig glücklich macht Caroline Louise von Klencke
Caroline Louise von Klencke (1754 – 1802), deutsche Dichterin, Schriftstellerin
aus: „Blumen auf’s Grab der Frau C. L. von Klenke: Aus ihren eigenen und ihrer Freunde Gedichte; Manuscript für Freunde“ Halberstadt, 1802. Seite 13 – 15