An Myrtil, wenn deine Lippen mich berühren Myrtil, wenn deine Lippen mich berühren, Dann will die Lust die Seele mir entführen; Ich fühl' ein sanftes, namenloses Beben Den Busen heben. Mein Auge flammt, Gluth schwebt auf meinen Wangen; Es schlägt mein Herz ein unbekannt Verlangen; Mein Geist, verirrt in trunkner Lippen Stammeln, Kann kaum sich sammeln. Mein Leben hangt in einer solchen Stunde An deinem süßen, rosenweichen Munde, Und will, bey deinem trauten Armumfassen, Mich fast verlassen. O! daß es doch nicht außer sich kann fliehen. Die Seele ganz in deine Seele glühen! Daß doch die Lippen, die voll Sehnsucht brennen, Sich müssen trennen! Daß doch im Kuß' mein Wesen nicht zerfließet, Wenn es so fest an deinen Mund sich schließet, Und an dein Herz, das nimmer laut darf wagen, Für mich zu schlagen! Caroline Louise von Klencke
Caroline Louise von Klencke (1754 – 1802), deutsche Dichterin, Schriftstellerin
aus: „Blumen auf’s Grab der Frau C. L. von Klenke: Aus ihren eigenen und ihrer Freunde Gedichte; Manuscript für Freunde“ Halberstadt, 1802. Seite 23 – 24
Gedicht wurde vertont: von Franz Schubert (1797 – 1828), ‚Heimliches Lieben‘, op. 106 (vier Lieder) no. 1, D 922 (1827) Gesang, Piano