An eine junge Italienerin

Der Regen peitscht das Dach

An eine junge Italienerin

Noch knirscht der Februar, von Schnee und Reif umschauert,
Der Regen peitscht das Dach, kalt pfeifts in den Alleen;
Du aber seufzest schon: Mein Gott, wie lang das dauert.
Wann werden im Gehölz wir Veilchen pflücken gehn?

Kind, Frankreichs Himmel ist ein Tränensieb. Im Pelze
Am flammenden Kamin sitzt fröstelnd unser Lenz;
Paris vergeht im Schmutz, wenn auf dem grünen Schmelze
Der Wiesen sein Geschmeid längst ausgelegt Florenz.

Sieh, kahl sind Park und Flur; zu warten gilts ein Weilchen.
Dich hat dein Herz getäuscht, das warm und südlich glüht;
Dein blaues Auge nur, sonst gibts hier noch kein Veilchen
Und keinen Lenz, als der auf deiner Wange blüht. 

Théophile Gaurier

Théophile Gautier (1811 – 1872), französischer Erzähler, Lyriker und Kritiker

aus: ‚Gedichte an geliebte Frauen‘

Übersetzung von: Emanuel Geibel (1815 – 1884)