An die Tulpe
Andre mögen andre loben,
mir behagt dein reich Gewand;
durch fein eigen Lied erhoben
pflückt dich eines Dichters Hand.
In des Regenbogens sieben
Farben warst du eingeweiht,
und wir sehen was wir lieben
an dir zu derselben Zeit.
Als mit ihrem Zauberstabe Flora dich entstehen ließ, einte sie des Duftes Bließ; doch die Blumen all‘, die frohen, standen nun voll Kummer da, als die Erde deinen hohen Doppelzauber werden sah.
Göttin! O zerstör‘ uns wieder, denn wer blickt uns nur noch an? Sprach die Rose, sprach der Flieder, sprach der niedre thymian. Flora kam, um auszusaugen deinen Blättern ihren Duft: Du erfreust, sie sagt’s, die Augen. Sie erfreun die trunkne Luft.
August von Platen-Halbermunde
August von Platen-Habermünde(1796 – 1835), deutscher Dichter
‚Gesammelte Werke des Grafen August von Platen‘. In fünf Bänden. 1. Band. Stuttgart und Tübingen. J. G. Cotta’scher Verlag. 1847. Buchdruckerei J. G. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart. Seite 3 – 4